In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Beifall johlten oder pfiffen. Doch sie gesellte sich zu den Bäckergesellen, und als sie neben Giovanni stand, fand Cunrat, dass die beiden das schönste Paar in Costentz waren, schöner noch als der König und seine Frau.
Gretli bemerkte seine Blicke wohl und auch die all der anderen Männer, und plötzlich fühlte sie sich mit ihren Rußfalten und zerrissenen Kleidern tatsächlich alt und hässlich im Vergleich zu Lucias strahlender Schönheit. Cunrat hatte ihr vom traurigen Schicksal der Mailänderin erzählt, und Gretli hatte sogar Mitleid gehabt, doch nun dachte sie nur noch: Die Hure! Mit einem Mal war ihre Karnevalsfröhlichkeit verschwunden, sie sah sich im Lokal um, sah überall grölende Männer und schamlose Frauen, sah nur Sünde und Verderben, und plötzlich fragte sie sich, wie sie hatte hierher geraten können, sie, die ehemals fromme Mäntellerin. Wie hatte Cunrat ihr das antun können, sie in diese Lasterhöhle zu schleppen? Sie wünschte sich, Anna Tettikoverin hätte sie nicht ermutigt, auf die Fastnacht zu gehen, hätte ihr nicht geholfen, sich zu schminken und noch einen Zehrpfennig mitgegeben. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie die Fastnacht erlebte, sonst hatte sie höchstens im Spital die Betrunkenen versorgt und sich vor ihnen geekelt. Nun war sie mittendrin, und sie ekelte sich vor sich selbst. Sie wollte fortlaufen, doch in diesem Augenblick nahm Giovanni ihren Arm und sagte stolz: »Gretli, das ist meine Lucia! Ist sie nicht wunderschön?«
Lucia streckte ihr die Hand hin, die sie zögernd nahm. Der Händedruck der Mailänderin war herzlich und ihr Blick freundlich und offen. In gutem Deutsch mit leichtem Akzent sagte sie: »Ich freu mich so, dich endlich kennenzulernen! Giovanni hat mir schon so viel von dir erzählt, und Cunrat ist für alle anderen Frauen verloren, seit er dich kennt!«
Gretli errötete unter ihrer Schminke und wusste nicht, was antworten.
»Cunrat, kommst du mit mir zum Abtritt?«, fragte Giovanni augenzwinkernd, und Cunrat, der verstand, dass es wegen des Geldes war, das er dem Freund leihen sollte, ging sofort mit. Die Frauen sahen sich verwundert an. Doch dann sagte Lucia: »Komm, wir warten draußen auf die beiden. Ich hole nur meinen Mantel.« Offenbar hatte sie die seelische Not der anderen erkannt.
Kurz darauf standen die beiden Frauen vor dem Eingang der Schankstube, fest in ihre Mäntel gehüllt, und beobachteten das närrische Treiben. Es wurde schon dämmrig, doch immer noch drängten sich die Menschen in unterschiedlichsten Kleidungen und Masken durch die engen Gassen. Wegen des Karnevals hatte man an den Häusern Fackeln in die dafür vorgesehenen Eisenhalterungen gesteckt, sodass das Hin und Her der Narren in ein gelbliches, unruhig flackerndes Licht gehüllt war.
Ab und zu traten Männer neben ihnen in die Tür des Lörlinbades , manche sprachen sie auch an, doch Lucia wies sie sofort mit deutlichen Worten zurück.
»Dies ist kein Haus für eine Frau wie dich!«, sagte sie zu Gretli. »Cunrat hätte dich nicht hierher bringen sollen!«
»Und für dich?«, fragte Gretli. »Ist es denn ein Haus für dich?«
Lucia sah zu Boden und seufzte tief. Dann zuckte sie die Schultern.
»Es ist, wie es ist.«
Doch das ließ Gretli nicht gelten.
»Der Magister Hus sagt, dass man sich immer von der Sünde abkehren kann.«
Da hob Lucia den Kopf und antwortete mit zorniger Stimme: »Der Magister Hus sagt auch, dass alle Frauen Heuchlerinnen sind und vom Satan gesandt, um die Männer zu verführen!«
Gretli erschrak über die Heftigkeit von Lucias Reaktion und über diese Ansichten des Magisters.
»Das wusste ich nicht, das habe ich noch nie gehört. Ich kenne nur seine Predigten, in denen er sagt, die Priester sollten mild gegen die Armen und demütig sein. Verzeih, wenn ich dich gekränkt habe.«
Da wurde Lucia wieder sanft.
»Nein, ich muss um Verzeihung bitten. Ein hoher Prälat hat mir von Hus erzählt, und es war nichts Gutes an dem, was er sagte. Aber du musst wissen, dass ich nicht freiwillig in diesem Haus bin. Wenn ich könnte, würde ich es heute noch verlassen.«
Mit gespielter Fröhlichkeit begrüßten sie Giovanni und Cunrat, die eben aus der Tür kamen. Offenbar hatten sie ihre Geschäfte untereinander und mit dem Wirt erledigt.
»Warum wartet ihr hier draußen in der Kälte auf uns?«, fragte Giovanni. »Wir wollten doch noch etwas trinken und essen!«
»Bringt uns lieber fort von hier!«, antwortete Lucia und hakte sich bei
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