In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
nordöstlichen Seite des Klosters im ersten Geschoss liegt, sodass man einen wunderbaren Blick übers Wasser auf die Türme von Costentz hat.
Mutter Magdalena ließ mir heißen Wein kredenzen und hieß mich auf einem weich gepolsterten Stuhl am Ofen Platz nehmen. Sie selbst setzte sich auf einen ebensolchen Stuhl mir gegenüber, sodass ich sie im Lichte, das durch die Butzenscheiben hereinfiel, genau betrachten konnte. Sie trug dasselbe strenge Ordensgewand, wie ich es bei Schwester Relindis gesehen hatte, eine schwarze Kutte mit Kapuze, das Gesicht umrahmt von einem streng gebundenen weißen Schleier und weißem Kinntuch. Keine Haarlocke lugte darunter hervor, und wie sie so mit verschlungenen Händen vor mir saß, schien sie die frömmste Frau der Welt zu sein. Dem widersprachen jedoch ihr Mund und die Augen. Jener besteht aus einem Paar fleischiger Lippen, denen die Frivolität von Natur aus innezuwohnen scheint, und ihre blitzenden Augen musterten mich mit einem Blick, der weniger den Qualitäten des päpstlichen Visitators als denen des Mannes, der ich nun einmal bin, zu gelten schien. Ihr Alter konnte ich schwer einschätzen, sie muss schon um die 30 sein, aber der Briefeschreiber hatte recht gehabt, sie ist noch eine saubere Alte, ja, man könnte sie fast als Schönheit bezeichnen, wenn sich nicht zwei harte Falten von den Winkeln ihrer Nase zu denen des Mundes hinab ziehen würden, wie sie nur ein liederliches oder ein unglückliches Leben in das Gesicht gräbt.
Freundlich aber wachsam begrüßte sie mich und fragte nach meinem Begehr. Ich sagte ihr frei heraus, mir seien verschiedene Dinge über dieses Kloster zu Ohren gekommen, über die ich mir im persönlichen Gespräch mit ihr Gewissheit verschaffen wolle. Da lachte sie und sagte, sie habe schon gehört, wer meine Zuträgerin gewesen sei. Sie nannte Schwester Relindis eine vom Neid zerfressene Schlange und fragte scheinbar leichthin, während sie mir Wein nachschenkte, was die Bibliothekarin mir denn erzählt hätte. Ich berichtete von den Missständen im Kloster, was das Essen anbelangte, und über die Vergnügungen zur Fastnachtszeit, ließ das eigentliche Skandalon jedoch noch unerwähnt.
In der Tat schien sie erleichtert, dass nur diese Dinge zur Sprache gekommen waren.
›Mein lieber Herr Visitator‹, antwortete sie mir in scherzhaftem Ton, das lieber betonend, ›scheinen Euch diese Vergehen wirklich so schwerwiegend? Eine gute Klostervorsteherin muss das Jahr über haushalten, wir können nicht ständig in Saus und Braus leben. Umso wichtiger erscheint es mir, dass meine lieben Schwestern im Herrn wenigstens vor den langen Osterfasten, am Karneval, ein bisschen Vergnügen haben und sich noch einmal satt essen können.‹
Ich bestätigte ihr diese Ansicht, sagte auch, dass der Heilige Vater in solchen Dingen wohl nachsichtig sei, sodass sie sich schon gerettet glaubte.
Dann begann ich von der Literatur zu sprechen, lobte ihr Latein und sagte, dass es mir fast an den Alten geschult erschiene, und dass ich gehört hätte, sie zeige großes Interesse für die ehrwürdige Dichtkunst unserer antiken Vorfahren.
Da begann sie herzlich zu lachen und sagte, sie habe ebenfalls schon von mir gehört, vor allem von meiner Vorliebe für die antiken Autoren, ja, ich sei in den Klöstern rund um den Bodensee verschrien als Büchermarder, und ich solle doch frei bekennen, dass dies der Grund für meine Visitation gewesen sei. Ich tat, als ob ich mich ertappt fühlte, erwiderte ihr Lachen und fragte in kokettem Tone, ob denn meine Vermutung richtig sei.
Da ging sie zu einer Truhe – ich fragte mich, ob es die von Relindis geöffnete war – und entnahm ihr ein in Leder gebundenes Buch. Sie streckte es mir hin, doch als ich es nehmen wollte, zog sie ihre Hand rasch zurück und sah mich herausfordernd an. Dann wollte sie wissen, was ich ihr bieten würde für dieses wertvolle Stück. Ich entgegnete, dass ich nichts bieten könne, bevor ich es nicht gesehen und seinen Wert taxiert hätte.
So übergab sie es mir, und als ich es aufschlug, stockte mir der Atem. Ich blätterte durch die Pergamentseiten, ließ meinen Blick hier und da auf einigen besonders gelungenen Zeilen ruhen, und vergewisserte mich so, dass ich tatsächlich die Komödien des Plautus vor mir hatte. In den Schriftzeichen der Zeit des großen Karl niedergeschrieben fand ich hier das Spiel von Amphitruo, der vom geilen Zeus betrogen wird, die Komödie um die beiden Zwillinge Menaechmi, die
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