In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
gestürzt hatte, er hatte kein Recht auf Glück, nur auf Bestrafung. Es war richtig, dass er in diesem dunklen Kerker saß und nie mehr herauskommen würde. Oder dass sie ihn vielleicht sogar töten würden.
Er hatte gewusst, wessen Stimme es war, noch bevor der Sack von seinen Augen verschwand, noch bevor er ihn im dämmrigen Licht der Fackeln sehen konnte. Ein Blick voller Hass war das Letzte gewesen, was er von ihm gesehen hatte, damals, im Rathaus, als Bärbeli und Knutz Urfehde schwören mussten, doch dieser Mann hatte nicht geschworen.
»So sieht man sich wieder, Cunrat.«
Meister Katz war klein von Wuchs, dennoch musste Cunrat nun zu ihm aufschauen. Einerseits war er erleichtert, dass es nicht der Gabelmörder war, der ihn hatte entführen lassen, aber andererseits wusste er, dass in Meister Katz ein unbändiger Hass loderte, weil Cunrat seine Tochter entehrt hatte und schuld daran war, dass der Bäckermeister zur Rettung Bärbelis vor der Verbannung bei den lombardischen Wechslern einen Kredit hatte aufnehmen müssen, den er wahrscheinlich noch lange abzahlen würde. Cunrat war ihm und seiner Tochter seit jenem Tag aus dem Weg gegangen, hatte sorgfältig jeden Gang vermieden, bei dem er ihnen hätte begegnen können. Er war überzeugt gewesen, dass dieses Kapitel seines Lebens abgeschlossen sei.
Weshalb hatte der Bäcker ihn jetzt nach so langer Zeit noch verschleppen und in den Keller unter seinem Haus bringen lassen? Es waren doch schon mehrere Monde vergangen seit jenem Prozess. Cunrat versuchte aufzustehen, doch zwei Männer, die er nicht kannte, drückten ihn sofort wieder zu Boden. Mit seinen auf den Rücken gefesselten Armen konnte er sich nicht dagegen wehren.
»Bleib da unten, Cunrat, und sieh mich an. Du bist der Sohn meiner Base, aber ich habe dich hier aufgenommen wie einen eigenen Sohn, und du? Du hintergehst mich schamlos, vögelst meine Tochter, und als es Folgen hat, weigerst du dich, sie zu heiraten und überlässt sie der Schande. Doch so einfach kommst du mir nicht davon!«
Mit keinem Wort erwähnte Hans Katz, dass Bärbeli ihren Liebhaber beinahe hatte umbringen lassen. Aber was meinte er mit Folgen?
»Bärbeli wird immer dicker, es ist nicht mehr zu übersehen. Die Leute zeigen schon mit dem Finger auf sie. Und daher frage ich dich noch einmal, Cunrat Wolgemut: Bist du bereit, meine Tochter zu heiraten? Beim Namen deiner Mutter, die immer eine fromme Frau war, wenn du noch einen Funken Anstand in dir hast, wirst du jetzt nicht mit nein antworten!«
Doch Cunrat hatte es schlichtweg die Sprache verschlagen.
Als er auch nach längerem Abwarten nichts sagte, gab der Bäckermeister den anderen Männern ein Zeichen, zu verschwinden.
Dann trat er ganz nahe an Cunrat heran und flüsterte: »Ich gebe dir Zeit zum Nachdenken. Doch wisse: Hier führt dich nur eine Antwort lebend wieder heraus.«
Cunrat schwieg.
Da nahm Hans Katz die Fackel, verließ den Kellerraum und schob den Riegel vor. Hinter sich ließ er totale Finsternis.
Cunrats Arme schmerzten. Es war ihm nicht gelungen, sich von den Fesseln zu befreien. Die ungewohnte Haltung verursachte ihm Krämpfe. Außerdem litt er Hunger und Durst, und seine Bruche war durchnässt.
Doch all dies war nichts gegen die Kämpfe, die seine Seele auszustehen hatte. Zwei Frauen bekamen ein Kind von ihm. Die eine liebte er und wollte sie ehelichen, die andere fand er abstoßend und hätte sie am liebsten nie mehr wiedergesehen. Wenn er seine Liebe verriet, winkten ihm Meistertitel, Ansehen und ein geregeltes Familienleben. Doch wenn er seinem Herzen folgte und sich weigerte, Bärbeli zu heiraten, würde er in Hans Katzens Keller verkommen. Er hatte die Wut und Verzweiflung in dessen Augen gesehen, und wusste, dass er ihn verhungern lassen oder auf andere Weise töten würde. Cunrat fühlte sich vollkommen verlassen, nicht nur von der Welt, sondern auch von Gott und allen Heiligen. Er würde hier, in absoluter Finsternis, ohne dass irgendeiner seiner Freunde ahnte, wo er sich befand, seine Seele aushauchen. Ohne priesterlichen Beistand und die Sakramente der Kirche würde er sterben. Und er stellte sich vor, wie dann – so wie er es im Osterspiel einmal gesehen hatte – ein Engel und ein Teufel kämen, die um seine Seele stritten, und wie der Teufel gewinnen und seine Seele mit sich fortreißen und in die tiefsten Tiefen der Hölle tragen würde.
Doch auch wenn er sich für das Leben und damit für die Heirat mit Bärbeli entschied,
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