In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
gegenüber als der Verdächtigste erschien. Doch muss ich gestehen, mein Niccolò, dass ich selber nicht recht wusste, wie ich Sigismund gegen einen Armbrustpfeil oder einen erneuten Giftanschlag hätte verteidigen sollen. Er wähnte sich ja nicht in Gefahr und bewegte sich unter seinem Volk wie einer, der sich von Gott beschützt und im Recht glaubt.
Herr Richental hatte indes keine Kosten und Mühen gescheut, um dem König und seinen Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. So gab es vor dem Imbiss noch ein lustiges Intermezzo zur Unterhaltung der illustren Besucher. Dazu hatte man Dirnen aus der Stadt geladen, die nach der Art des Palio von Siena ein Wettrennen um ein Stück Tuch veranstalteten. Doch fand dieser Wettlauf nicht auf edlen Pferden statt, sondern die gemeinen Töchter liefen auf ihren eigenen Beinen. Auf einer großen Wiese in der Nähe von Herrn Richentals Haus war mit Pfählen und Seilen ein Turnierplatz abgesteckt worden. Rund um diesen Platz versammelten sich nun die Zuschauer, vor allem diejenigen männlichen Geschlechts. Dann traten die Dirnen in einer Reihe an. Es hatten sich wohl die hübschesten zu diesem Wettkampf gemeldet, und sie trugen alle ihre schönsten Kleider mit tiefen Ausschnitten, jedoch keine Strümpfe oder Schuhe, sodass ihre Füße und Beine nackt unter den Gewändern hervorschimmerten. Haare und Busen hatten sie mit Blumen geschmückt.
Als alle parat waren, betätigte sich ein Posauner des Königs als Turnierherold und gab den Frauen das Zeichen zum Start. Augenblicklich liefen sie los, mit geschürzten Kleidern, um besser rennen zu können, und wie beim Palio die Pferde, so wurden hier die einzelnen Läuferinnen von den Zuschauern angefeuert, mit Pfeifen und Johlen, umso mehr, je höher die Röcke gerafft wurden, und als einer Wettkämpferin vor heftiger Bewegung eine Brust aus dem Ausschnitt sprang, fand der Jubel der anwesenden Männer keine Grenzen. Auch wenn am Ende nur eine einzige Dirne das Stück Barchent gewann, so bin ich mir sicher, dass auch die anderen einen Gewinn davontrugen, denn mit ihren freizügigen Bewegungen fachten sie die Lust der Zuschauer gehörig an, und gewiss hatte am Ende manch einer seine Gespielin für den Rest des Tages bereits ins Auge gefasst. Nachdem die Siegerin mit einem Blumenkranz gekürt und ihr der Preis ausgehändigt worden war, mischten sich die Frauen ganz unverblümt unter die hohen Gäste beim Hause Ulrich Richentals, wo die Küchenknechte inzwischen einen Ochsen am Spieß gebraten hatten. Neben dem Torkel war eine richtige Küche aufgebaut worden, und die Herdflammen loderten derart hoch, dass man Angst haben musste, der Torkel könnte Feuer fangen. Außer dem Rind wurden noch viele weitere wohlschmeckende Gerichte angeboten, und ich muss sagen, dass der gute Patrizier sich den Besuch des Königs eine Menge kosten ließ. Es heißt, er wolle ein Conciliumbuch schreiben, und dafür ist es sicher kein Nachteil, wenn man über einen Besuch des Königs auf dem eigenen Gut berichten kann.
Doch ich konnte all die Freuden für Gaumen und Sinne nicht wirklich genießen, wusste ich doch, dass wahrscheinlich unter all den fröhlichen Festgästen einer war, der Böses im Schilde führte, und dass dieser vergnügte Aufenthalt rasch ein furchtbares Ende nehmen konnte. Und was mich fast noch mehr verstörte, war die Tatsache, dass außer mir und meinen Costentzer Freunden keiner mit einem grausamen Anschlag rechnete. Seit dem Tod des Geräderten glaubt sich der König in Sicherheit, und so hatte ich keinen Moment Ruhe, denn ohne Unterlass hielt ich die Augen offen, ob ich irgendwo etwas Verdächtiges entdecken würde, und die Bäckergesellen taten es mir gleich. Sie hielten sich am Rande des Festes, da sie ja nicht zu den geladenen Gästen zählten, aber wie ich versuchten sie vor allem, Jakob Schwarz beständig im Blick zu haben. Doch der ergötzte sich mit geradezu epikuräischer Freude am Anblick der nackten Dirnenbeine und am Geschmack des gebratenen Ochsen, sodass mir Zweifel kamen, ob ein so gestimmter Mensch gleichzeitig Mordgedanken hegen könnte.
Nach dem langen Imbiss ließ der König die Tafel unter dem Vordach des Hauses aufheben, sodass nun vor seinem Stuhl genügend Platz für die Bittsteller war, die sich schon seit Längerem eingefunden hatten. Viele Prälaten und Fürsten, vor allem die üppigeren unter ihnen, zogen sich hingegen zurück und suchten in den umliegenden Obstwiesen und Weinbergen nach
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