In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
und in die Neugasse einbog. Cunrat rief ihm nach, doch da war der Freund schon um die Ecke verschwunden.
Cunrat wunderte sich, dass der Venezianer ihn nicht bemerkt hatte, denn bei seiner Größe war es kaum möglich, ihn zu übersehen. Außerdem hatte der Hund mit seinem Gebell die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich gezogen. Hatte Giovanni ihn nicht sehen wollen? War sein Freund wieder zu einem heimlichen Spiel unterwegs?
Er konnte seine Neugier nicht unterdrücken.
»Komm, Gretli, lass uns schauen, wohin Giovanni so eilig geht!«
Er nahm sie bei der Hand, das Seil, an das der Hund gebunden war, in die andere, und zog sie rasch zur Hausecke, um die der Venezianer gebogen war. Sie sahen gerade noch, wie er im Eingang eines prächtigen Hauses in der Neugasse verschwand.
»Weißt du, wem dieses Haus gehört, Gretli?«, fragte Cunrat.
»Ja, das ist das Haus der Familie Sunnentag, einer der vornehmsten Familien der Stadt. Ich kenne die Frau, sie ist eine Freundin von Anna Tettikoverin. Eine wirklich nette Frau!«
»Aber was kann Giovanni von der Familie Sunnentag wollen?«
»Vielleicht will er seinen Landsmann besuchen, den Erzbischof Benedetti. Der wohnt bei den Sunnentags.«
Auf dem Weg zum Hohen Haus schwärmte Gretli ununterbrochen von Jan Hus und seinen großartigen Ideen. Sie war der Ansicht, dass man ihn heiligsprechen müsse wie die Heilige Birgitta.
»Bist du nicht auch dieser Meinung?«, wollte sie zum Abschied von Cunrat wissen.
»Was sagst du? Ich … ich …«
Gretli zog eine Schnute. »Du hast mir gar nicht zugehört!«
»Doch doch, ja, heiligsprechen!«
Er nahm sie in die Arme und drückte sie vorsichtig, dann klopfte sie an die Tür des Hohen Hauses, und ein Knecht der Tettikovers ließ sie ein.
Doch Gretli hatte recht gehabt, Cunrat hatte ihr kaum zugehört. Seine Gedanken kehrten ständig zu Giovanni zurück. Hatte sein Bäckerfreund wirklich den venezianischen Erzbischof besucht? Was hätte er sonst im Haus einer Costentzer Patrizierfamilie zu suchen gehabt? Und wenn das Ziel seines Besuches der Erzbischof war, woher kannte er ihn? Warum ging er heimlich zu diesem Treffen? Cunrat konnte sich keinen Reim darauf machen.
Außerdem beschäftigte ihn noch etwas anderes. Die Mutter von Hug Strigel hatte ihnen erzählt, dass ein Welscher nach ihrem Sohn gefragt hatte. Sie hatte nichts von einem Einäugigen gesagt. Giovanni hatte diesen Umstand nicht mehr erwähnt. War der Besucher vielleicht ein Venezianer gewesen? Hatten die Venezianer doch etwas mit den Morden zu tun, wie Poggio Bracciolini vermutet hatte? Und welche Rolle spielte Giovanni?
Am nächsten Abend begaben sich Cunrat, Giovanni und Poggio Bracciolini zu Meister Ismael, dem Juden. Die Bäcker hatten Poggio um ein Treffen gebeten, als er morgens an ihrem Stand bei der Stephanskirche vorbeigekommen war, weil sie die Neuigkeiten mit ihm und Simon Ringlin besprechen wollten. Um Lucias Vater nicht zu gefährden, hatten sie verabredet, sich nicht in einem Gasthaus zu treffen, sondern bei dem jüdischen Arzt zusammenzukommen, der inzwischen aus Überlingen zurückgekehrt war.
Nun saßen die fünf Männer in der Stube des Juden beisammen, wo es angenehm kühl war, und genossen den ebenfalls kühlen Wein, wobei Giovanni bedauerte, dass er nicht von Hendlin serviert wurde, die inzwischen verheiratet und in Überlingen geblieben war.
Auf Deutsch, mit vereinzelten italienischen Erklärungen für Poggio, erzählte er ausführlich, was sie von Hug Strigel über den nächtlichen Besucher im Turm erfahren und welche Schlüsse sie daraus gezogen hatten.
Cunrat tätschelte währenddessen seinem Hund den Kopf, um ihn ruhig zu halten, denn der musterte mit allzu aufmerksamer Miene das Eichhörnchen, das auf der Schulter des Juden saß und ängstlich zurückstarrte. Nur mit säuerlicher Miene hatte Meister Ismael zugestimmt, dass der Hund mit ins Haus durfte, doch sogar Giovanni hatte ein gutes Wort für Cunrats neuen Freund eingelegt, und bei seiner Erzählung über das Gespräch mit Hug Strigel versäumte er auch nicht, den Einsatz von Zerberus gebührend zu würdigen.
Cunrat musste lächeln, als er die lobenden Worte hörte, dennoch nagte in seinem Herzen ein Zweifel. Er hatte noch keine Gelegenheit gefunden, den Freund auf seinen seltsamen Besuch im Haus der Familie Sunnentag am Abend zuvor anzusprechen.
Giovanni beendete seinen Bericht mit der Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Mörder wohl um den einäugigen Diener des Conte
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