In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
die Wirkung des Giftes nicht so stark war. Aber du hast recht, im Grunde ist es schon verwunderlich, dass uns noch nichts geschehen ist! Das heißt …«
Giovanni war stehen geblieben und sah Cunrat eindringlich an: »Dir ist ja etwas geschehen. Du bist entführt worden. Was ist damals passiert? Willst du mir nicht endlich die Wahrheit sagen?«
Cunrat seufzte tief, doch dann berichtete er Giovanni mit wenigen Worten, wie die unbekannten Gesellen ihn zu Meister Katz in den Keller geschleppt hatten, wie der Bäckermeister versucht hatte, ihn mit Todesandrohungen zur Heirat mit seiner schwangeren Tochter zu zwingen, und wie er schließlich mit Hilfe des kleinen Mathis hatte fliehen können.
Trotz der ernsten Situation musste Giovanni lachen.
»Cunrat und die Frauen! Es ist nicht zu glauben! So wirst du nun also doppelter Vater werden.« Er hob den Finger und sagte mit Predigerstimme: »An ihren Nasen werdet ihr sie erkennen!«
Cunrat war nicht zum Lachen.
»Das weiß man nicht genau, vielleicht ist auch Joß der Vater von Bärbelis Kind, aber ich beschwöre dich, sage es keiner Menschenseele, vor allem Gretli darf nichts davon erfahren!«
»Ich werde schweigen wie ein Grab!«
»Was sollen wir denn nun tun, Giovanni? Zum Vogt gehen und ihm alles erzählen?«
»Zum Vogt? Was sollen wir dem sagen? Herr Vogt, Ihr habt den falschen Attentäter rädern und den falschen Entführer einsperren lassen, der Mörder läuft immer noch frei herum und ist einäugig wie der Costentzer Bischof? Er würde uns in den Turm werfen lassen! Nein, wir gehen selber in die Haue und stellen den Kerl zur Rede!«
Doch Cunrat bremste Giovannis Hast. Abgesehen davon, dass er mit Gretli verabredet war, machte ihm ihre neue Erkenntnis Angst.
»Du hast doch gesehen, wozu er imstande ist! Wie viele Menschen hat er schon getötet! Lass uns zuerst mit Poggio Bracciolini und Herrn Ringlin darüber sprechen, was wir tun sollen.«
Giovanni schnaubte unwillig und brummte etwas von »Angsthase«, doch schließlich willigte er ein.
Vom Schnetztor kommend hatten sie inzwischen den Oberen Markt erreicht. Misstrauisch äugten sie zum Rindportertor hinüber, neben dem die Haue lag. Dann liefen sie rascher als sonst die Plattenstraße hoch, und bis zu ihrer Behausung hatten sie gewiss hundertmal den Kopf gewandt, um zu sehen, ob in der Menge hinter ihnen irgendwo ein Einäugiger ging.
Es war schon dämmrig, als Cunrat und Gretli die St.-Pauls-Kirche verließen. Da sie den Frühgottesdienst in St. Johann verpasst hatten, hatte Gretli darauf bestanden, die Abendandacht in der Kirche beim Schnetztor zu besuchen. Während des Gottesdienstes beobachtete Cunrat, wie Gretli hie und da jemanden grüßte, verstohlen und unauffällig. Es waren alles Personen, die Cunrat bei der Hinrichtung von Hus gesehen hatte, aber nur solche, die geweint hatten. Eingedenk des Feuertodes von Hus trauten sie sich nun wohl nicht mehr, sich offen zu dessen Lehren zu bekennen, doch Cunrat hatte den Eindruck, dass die Andacht in St. Paul einem heimlichen Treffen von Husgetreuen gleichkam. Selbst der Priester am Altar hatte einen Evangelientext gewählt, der Cunrat an die Forderungen von Hus gemahnte: die Vertreibung der Händler aus dem Tempel in Jerusalem. Der Bäcker schwankte zwischen Zustimmung und Sorge um Gretli. Wie gefährlich solche Ideen waren, hatte man bei Hus gesehen, und dabei war Hus nicht der Einzige gewesen. Es waren noch weitere Personen verhaftet worden, unter ihnen sogar der Dominikaner Nicolaus Venceslai, der Ketzerinquisitor des Papstes, weil er den Prager Magister nach Meinung des Konzils zu wohlwollend beurteilt hatte. So war Cunrat froh, als die Andacht zu Ende ging und sie die Kirche verlassen konnten.
Zerberus hatte nicht mit zum Gottesdienst kommen dürfen, Cunrat hatte ihn neben dem Brunnen auf dem kleinen Kirchplatz angebunden. Nun begrüßte der Hund seinen Herrn mit lautem Gekläff. Gretli hatte er seinen neuen Freund erst präsentiert, nachdem er ihn in der Rheinströmung von seinen Flöhen befreit hatte. Lachend hatte sie ihn gescholten: »So hast du ihn von dem einen Übel befreit, aber ihn dafür fast ersäuft! Ein schöner Freundschaftsdienst! Beim Gewürzkrämer Muggenfuß hättest du gewiss ein Pülverchen gegen die Flöhe bekommen.«
Sie banden den Hund los, der voller Begeisterung an Cunrat hochsprang, sodass er ihn kaum abwehren konnte. Dabei wäre ihm um ein Haar entgangen, dass auf der anderen Straßenseite Giovanni rasch vorbeieilte
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