In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
du und ich, wissen es besser, nicht wahr? Wir haben die Stimmen gehört, in der Nacht vor der Mauer. Du dachtest, es seien Galgenvögel, und ich dachte, es seien Räuber. Aber es waren die arme Tettingerin in ihrer letzten Stunde und ihr Mörder. Ergo: Sie soll sich umgebracht haben, aber ich sage, das hat sie nicht. Ihr Bruder soll sich umgebracht haben, aber du sagst, das hat er nicht. Freund Wolgemut, was geschieht hier? Mir ist gar nicht wohl bei der Sache! Erzähl mir doch, warum du glaubst, dass Meister Tettinger zu Unrecht vor der Mauer begraben wurde!«
Cunrat hatte schon befürchtet, dass Giovanni ihm nie mehr die Zeit geben würde, auf seine Fragen zu antworten. Dabei war sein Herz voll von Dingen, über die er endlich mit jemandem sprechen wollte. Obwohl er den fremden Bäcker unter denkbar ungünstigen Bedingungen kennengelernt hatte, hegte er Vertrauen zu ihm. Immerhin hatte er es ihm zu verdanken, dass er seine Strafe hatte bezahlen können, ohne in Abhängigkeit von Meister Katz zu geraten. Auch wenn er lieber nicht wissen wollte, woher das Geld stammte.
Nun hatte Giovanni ihn offenbar eingeladen, mit in die Haue zu kommen, um etwas von ihm zu erfahren. Und Cunrat war nur allzu gern bereit, seine Neugier zu befriedigen.
So begann er zu erzählen, inmitten des Kneipenlärms, so schnell er konnte, doch in jedem Fall zu langsam für den ungeduldigen Venezianer, der ihn immer wieder unterbrach. Cunrat berichtete, wie er Tettinger auf dem Schiff getroffen hatte und dieser sein väterlicher Freund geworden war, er schilderte dessen Begeisterung für das Konzil und für seinen guten Wein, und welche Hoffnungen er sich gemacht hatte, reich zu werden. Und wie Cunrat dann erfahren hatte, dass der Wirt tot war und sofort zur Schänke gelaufen war, wie er dabei gewesen war, als man den Toten abschnitt und Vogt und Stadtarzt die Leiche untersuchten, und dass es ihm so vorgekommen war, als ob auch Hanns Hagen an einem Selbstmord zweifelte. Außerdem sprach er über die Kellertür, die seltsamerweise offen gestanden hatte, und dass Hanns Hagen vermutete, dass Tettinger jemanden durch die Tür eingelassen hatte. Und am Ende berichtete er von seinem Gang zum Rathaus am Morgen und den Drohungen des Vogts.
»Verstehst du?«, tröstete ihn Giovanni, »er wollte dich einschüchtern. Die Leute in der Stadt sollen glauben, dass Karolina sich umgebracht hat, ebenso wie ihr Bruder. Und wenn man das Volk reden hört, dann haben die Gerüchte ihre Wirkung getan. Ein Fluch laste auf den Tettingern, hieß es gestern im Kornhaus. Und nun stell dir vor, wie die Stadt und ihr Vogt dastünden, wenn bekannt würde, dass es sich nicht um einen Fluch handelt, sondern dass hier ein Mörder sein Unwesen treibt! Und nach allem, was du erzählt hast, glaube ich eher Letzteres.« Mit Blick auf die Stadtwache meinte er dann etwas leiser: »Aber das muss vorläufig unter uns bleiben, Cunrat! Einmal mit dem Turm Bekanntschaft zu schließen, hat mir gereicht, so sauber ist das Stroh dort nicht.«
Sie hatten einen Krug Überlinger Wein bestellt, und obwohl es keine drei Männer brauchte, damit Cunrat ihn trank, dachte er doch mit Wehmut an Johann Tettinger zurück und den Elsässer, den dieser manchmal spendiert hatte.
»Ob der Wein wohl noch aus den Fässern von Tettinger stammt?«, fragte Giovanni. »Oder haben sie die tatsächlich in den Rhein gekippt, und Sebolt Schopper hat seinen eigenen Wein mitgebracht?«
Er schaute in seinen Becher.
»Schlecht schmeckt er nicht. Entweder aus neuen Fässern gezapft, oder der alte Wein war nicht gepanscht.«
»Er w… war nicht g… gepanscht!«
Giovanni lachte. »Du bist ein wirklicher Freund. Sogar für die Toten!«
Cunrat konnte nicht mitlachen. Er hatte sich zwar nun seine Befürchtungen von der Seele geredet, doch die Tatsache, dass er Giovanni damit überzeugt hatte, hatte sie eher noch verstärkt. Der wurde nun auch wieder ernst.
»Aber wenn er nicht gepanscht hat, wer hat dann die Sachen in seinen Keller gebracht, die der Visierer gefunden hat?«
»D… das muss d… der Mörder g… gewesen sein!«
»Wie konnte er in den Keller gelangen?«
»D… das T… tor zur G… gasse war offen. Vielleicht h… hatte Tettinger verg… gessen, es abzuschließen.«
»Aber erst in der Nacht seines Todes. Um die Sachen da reinzubringen, muss sich vorher schon jemand Zutritt verschafft haben. Und ich glaube nicht, dass der Wirt das Tor ständig offengelassen hat. Wer so viel Geld ausgibt für ein
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