In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
auch mit Bärbeli und ihrer Mutter hatte der Geselle nur wenig gesprochen, aber das lag eher daran, dass er selbst ihnen aus dem Weg ging. Er war noch einsilbiger als sonst, weil er ohne Unterlass an die tote Karolina denken musste. Was war mit ihr geschehen? Wer hatte sie von der Mauer gestoßen? Wie war sie überhaupt auf die Mauer gelangt? Ob der Stadtvogt herausfinden würde, was geschehen war?
Am nächsten Tag erzählten ein paar Frauen, die Brot kaufen kamen, dass Karolina sich selbst in die Tiefe gestürzt habe, aus Kummer um ihren toten Bruder. Es liege ein Fluch auf der Familie, sagten sie. Beide seien in die tiefste Hölle verdammt, und die Schänke habe nun einen neuen Pächter.
Cunrat wollte widersprechen, wollte seinen toten Freund und dessen Schwester rechtfertigen, aber dann schien es ihm nicht der Mühe wert wegen ein paar Klatschweibern. Als jedoch auch Meister Katz von der Brotlaube zurückkam und beim Mittagsimbiss vom Selbstmord der Karolina Tettingerin berichtete und dass er diese Information aus erster Hand von einer Stadtwache der Bäckerzunft erhalten habe, da beschloss Cunrat, zu reden. Nicht mit dem Bäcker und seiner Familie, nein, dem Vogt wollte er sein Wissen preisgeben. Ein anfängliches Zögern wegen seiner eigenen Vergehen schob er beiseite. Seine Strafe hatte er bezahlt, und seine Rückkehr war von hoher Stelle abgesegnet. Was also konnte ihm schon passieren? Er war es den Tettingers schuldig, dass der Vogt die Wahrheit erfuhr.
So ging er am darauffolgenden Tag, einem Freitag, zum Rathaus, sobald er sich für einen Augenblick von der Arbeit freimachen konnte. Ein Wächter, der am Eingang des Gebäudes postiert war, wollte ihn zunächst nicht zum Vogt vorlassen, aber Cunrat insistierte stammelnd, dass er wichtige Neuigkeiten für H… hanns H… hagen h… habe. Schließlich gab der Mann nach und ging, um Cunrat anzumelden.
Nach einer Weile kam er wieder und führte den Bäckergesellen nicht wie beim letzten Mal in den Ratssaal, sondern in einen kleinen Nebenraum. Dort saß der Vogt an einem Tisch und schrieb. Die Feder kratzte über das Papier.
Endlich sah er auf und bedeutete der Wache, den Raum zu verlassen.
»Und schließ die Tür hinter dir!«
Cunrat öffnete den Mund, aber Hanns Hagen kam ihm zuvor.
»Schon wieder du, Langer! Was hast du mir zu sagen? Hast du wieder Streit mit den Welschen gehabt?«
»Nein, H… herr. Es ist wegen K… karolina T… tettingerin.«
Der Vogt kratzte sich am Kopf.
»Ah ja? Und was kannst du mir über sie sagen?«
»H… herr, sie h… hat sich nicht selbst umg… gebracht!«
Hanns Hagen lehnte sich zurück.
»Wie kommst du zu dieser Ansicht?«
Cunrat versuchte so gut es ging, dem Vogt die Sache zu erklären. Als er von Giovannis List erzählte, blickte der Vogt ihn finster an.
»Das passt zu diesem Welschen. Aber was ist nun mit dem Tod der Tettingerin? Habt ihr etwas gesehen oder gehört?«
»Herr, d… das haben wir, und seither k… kann ich an nichts anderes m… mehr d… denken.« Das stimmte nicht ganz, es gingen ihm nämlich noch mehr Frauen im Kopf herum, wenn er den Teig knetete und das Brot in den Ofen schob und wieder herausholte, Bärbeli, Margarethe, er war schon ganz wirr, aber dazwischen immer wieder Karolina, ihre Stimme, ihr Schreien.
»Ich h… habe sie schreien g… gehört.«
»Was? Wann?«
»In d… der Nacht, als sie von d… der Mauer g… gestürzt ist.«
»Sie hat geschrien? War sie denn nicht allein auf der Mauer?«
»Nein, H… herr, d… da war noch jemand.«
»Habt ihr jemanden gesehen?«
»G… gehört, H… herr. Einen M… mann, Herr.«
»Was?«
»Einen M… mann, H… herr. W… wir haben seine Stimme g… g… gehört.«
Der Vogt atmete tief durch und fuhr sich mit der Hand über die Augen, wie um das abzuwehren, was Cunrat ihm soeben erzählt hatte.
»Haben deine Kumpane die Stimme auch gehört?«
»N… nur Giovanni, Joß hat g… geschlafen.«
»Und du bist dir sicher, dass es die Tettingerin und ein Mann waren, die du mitten in der Nacht gehört hast?«
Cunrat war seiner Sache plötzlich nicht mehr so gewiss. Und wenn es doch arme Seelen gewesen waren? Er zögerte.
»Aha, du bist dir also nicht sicher! Wäre es nicht möglich, dass ihr einfach ein wenig viel getrunken hattet und euch etwas eingebildet habt, du und dein welscher Freund?«
»I… ich w… weiß nicht, Herr, ich g… glaube nicht …«
»Du glaubst nicht, du weißt nicht, mir scheint das alles ziemlich vage, was
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