In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Papst Johannes und die italienischen Kardinäle hatten schon am 7. Dezember den Antrag eingebracht, in der nächsten Session die Beschlüsse der Pisaner Synode zu bestätigen, die Maßnahmen gegen die beiden Gegenpäpste zu verschärfen und dann das Konzil zu beenden. Daraufhin hat plötzlich der Bischof von Cambrai, Pierre D’Ailly, einen Gegenantrag publiziert, in dem er es als Häresie bezeichnet, wenn man die Auflösung des Konzils verlange, bevor die Union der Kirche hergestellt sei. Als ob sie durch das Pisanum nicht schon längst hergestellt worden wäre! Dort wurden ja die beiden anderen Päpste zu Häretikern erklärt und der Vorgänger von Johannes, Alexander V., zum einzigen Vertreter der Kirche gewählt. Doch nicht nur, dass er das Pisanum in Zweifel zieht, D’Ailly hat auch einige Thesen formuliert, die die Vorrangstellung des Papstes über das Konzil in Frage stellen, und zwar mit der Begründung, dass der Papst so wenig unfehlbar sei wie das Konzil, weil sich auch Petrus in manchen Meinungsverschiedenheiten mit Paulus geirrt habe. Wenn das so weitergeht, dann sitzen wir noch an Ostern hier und diskutieren über Union und Reform der Kirche.
Wenn nur der König endlich käme! Es heißt, er sei auf dem Weg von Aachen das Rheintal herab hierher, aber was bedeutet das schon! Das Rheintal ist lang, vor allem angesichts dieser Wetterlage. Dabei setze ich meine ganze Hoffnung auf Sigismund und Papst Johannes, denn nur diese beiden haben ein echtes Interesse, das Schisma für beendet zu erklären und damit auch dieses unselige Konzil. Doch bis Sigismund hier eintrifft, wird es wohl Weihnachten werden.
Immerhin sind inzwischen die Vertreter des Deutschen Ordens angekommen, ein großer Tross mit elf Wagen. Allen voran ritt der Erzbischof von Riga, der stolze Johannes von Wallenrode auf einem mächtigen Rappen, eingehüllt in seinen schwarzen Rittermantel mit dem weißen Tatzenkreuz, unter dem das rote erzbischöfliche Gewand hervorleuchtete. Er sah grimmig und furchteinflößend aus, wie er mit über 60 ebenfalls schwarz gekleideten Soldaten durch die Rheingasse auf den Münsterplatz geritten kam, und ich muss sagen, obwohl er vor zwei Jahren die Obödienz gewechselt hat und nun ein braves Schäflein in der Herde unseres Papstes Johannes geworden ist, habe ich mich angesichts dieses Aufzuges gefragt, ob Johannes sich da nicht einen Wolf im Schafspelz eingehandelt hat.
In seinem Gefolge befand sich auch der Inquisitor Johannes Falkenberg vom Dominikanerorden, der eine erbitterte Kampfschrift gegen die Polen verfasst hat. Die schon lang schwelende Fehde der deutschen Ritter mit dem König von Polen wird sicherlich ebenfalls ein Thema für die Konzilsversammlung werden. O weh, ich sehe schon weitere Tage und Wochen mit Disputationen vergehen, denn natürlich werden auch die Vertreter Polens hier erwartet, dazu die Abgesandten von Litauen, um das sich der Streit vorwiegend dreht. Die Polen und Litauer behaupten, sie seien getaufte Christen, die Herren Ordensritter streiten ihnen dies jedoch ab und pochen auf ihr Recht, sie als Götzendiener und Heiden umzubringen. Der Papst empfängt heute von dieser, morgen von jener Partei Geschenke und weiß nicht, ob er sich nun über die Bekehrung eines ganzen Volkes freuen darf oder nicht. Aber wenn die Ritter im Norden keine Heiden mehr fänden, dann müssten sie sich endlich aufmachen und die echten Ungläubigen bekämpfen, nämlich die Türken, und die Vorstellung, gegen die Krieger mit dem Krummschwert anzutreten, behagt ihnen wohl nicht recht. Da scheint es einfacher, ein paar litauische und polnische Bauern als Heiden abzuschlachten und damit den gottgegebenen Auftrag zu erfüllen.
Doch auch diese Frage – was Heiden seien und was nicht – kann wohl erst entschieden werden, wenn alle Beteiligten anwesend sind. So wird in Costentz weiter über Wyclif und seine Schriften diskutiert, weil andere, wichtigere Themen mangels Anwesenheit der Betroffenen noch zurückgestellt werden müssen.
Wenn ich ganz ehrlich sein will, mein lieber Niccolò, dann öden mich diese scheinheiligen Diskussionen an. Wyclif und Hus werden als Häretiker verschrien, weil sie sich gegen den Ämterschacher wenden. Aber sind diese Ideen denn so neu? Ämterschacher, Simonie, »là dove Cristo tutto dì si merca« 1 – schon unser guter Meister Dante hat sich vor einem Jahrhundert darüber ereifert und Papst Bonifaz deswegen in den 8. Kreis der Hölle verbannt, kopfüber in den Boden
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