In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
Schmutz. Ich musste an mich halten, ihn nicht laut auszuschelten, aber da er so freundlich zu mir gewesen war, schluckte ich meine Schimpfworte wie eine Kröte hinunter, während er, als er das Missgeschick bemerkte, erschrocken zurückwich, dabei nun tatsächlich mit dem Kopf an die Schräge des Daches prallend und einen Wehlaut ausstoßend, worauf ich die Tür aufriss und ins Freie lief, um endlich den Weg in die Küsterei der Bischofsburg anzutreten. Wo ich dann auch ohne weitere unerquickliche Begegnungen heil anlangte.
Doch stell Dir nur vor, welches Entsetzen, als am Tage danach ein toter Mann gefunden wurde, nicht weit vom Inselkloster, am sogenannten Tümpfel, einer sumpfigen Bucht des Stadtgrabens vor dem bischöflichen Spital. In der Brust des armen Verblichenen steckte ein ungarisches Messer! Es heißt, er sei der Übersetzer von Ser Martinus gewesen, dem Abgesandten des Grafen Visconti von Mailand. Dieser Ser Martinus wiederum war noch am Tage des Heiligen Stephanus von Sigismunds Männern als Spion verhaftet worden. Doch nicht nur unser Papst, auch einige Kardinäle und andere hohe Herren haben dem König deutlich gemacht, dass ein solches Vorgehen gegen jede Vernunft ist, denn keiner würde mehr zum Konzil reisen, wenn bekannt würde, dass hier solche Willkür herrscht. Auch müsste der König wohl die Hälfte der bereits Anwesenden in den Turm sperren lassen, wollte er sich aller Spione entledigen! Nun denn, der Mailänder wurde wieder freigelassen, und vielleicht hat auch dies Sigismunds Soldaten geärgert, dass ihr oberster Gebieter sich den Vernunftstimmen des Klerus beugen musste, sodass sie sich am Diener des Mailänders schadlos hielten. Stell Dir nur vor, in ihrem Zorn hätten sie mich erwischt! Vielleicht wäre dann ich mit einem Messer im Herzen am Stadtgraben gefunden worden!
Was für ein Tag, mein Niccolò, was für eine Stadt und vor allem, was für Menschen in dieser Stadt! Möge das neue Jahr mich mit Gottes Hilfe endlich in mein geliebtes Italien zurückführen! Dafür verzichte ich auch gerne auf das weitere Studium der deutschen Sprache.
Dein Poggio
1 »Wo man Christus den ganzen Tag verschachert« - Hinweis von Dante Alighieri auf Rom, die Stadt des Papstes und der Simonisten. Dante Alighieri, La Divina Commedia, Paradiso, XVII/51.
Eismond
Mit dem Eismond kam auch der eisige Winter zurück. Straßen und Tümpel gefroren erneut, und es hieß, die klirrende Kälte lasse nun auch den See zwischen der Klosterinsel Richenow und dem Städtchen Allenspach allmählich mit Eis zuwachsen.
So hatte der städtische Totengräber Stoffel Zip keine leichte Pflicht, als er den Auftrag erhielt, ein Grab für den toten Mailänder auszuheben. Der Friedhof befand sich im Paradies beim Schottenkloster, und dort sollte der Ermordete am ersten Sonntag im Januar, dem Tag der Heiligen Drei Könige, zur letzten Ruhe gebettet werden. Der Totengräber bat seinen Freund Egli Locher, den Henker, und dessen Knecht um Hilfe, und zu dritt gelang es ihnen, mit Spaten, Schaufeln, Brecheisen und unter Zuschütten von heißem Wasser eine Grube aus dem Boden zu hacken, die groß genug sein würde, um den Toten aufzunehmen.
Am Sonntag Epiphanie zog also um die dritte Stunde nach Mittag ein Trauerzug von der St.Johann-Kirche, wo man die Totenmesse gehalten hatte, durch das Bischofstörle und das Schottentor zum Friedhof hinaus. Ein eisiger Wind fegte vom Rhein her über den Gottesacker und heulte um die Schottenkapelle. Dennoch hatten sich viele Menschen der Prozession angeschlossen, um für das Seelenheil des Toten zu beten und damit ein Werk der Barmherzigkeit zu begehen, das ihnen einen guten Ablass ihrer Sünden sichern würde. Daneben hatten sie die Neugierde hergetrieben und die Hoffnung, womöglich aus erster oder zumindest zweiter Hand etwas über die Umstände des Verbrechens zu erfahren. Wie das Summen eines Bienenschwarmes schwebte leises Gemurmel über dem Zug, Gebete, die zum Himmel stiegen, gemischt mit Fragen und Mutmaßungen zum Wie und Warum der bösen Tat.
Ser Martino und die übrigen Mailänder standen mit finsteren Gesichtern an der vorbereiteten Grube. Nachdem man den Leichnam – in ein weißes Leinentuch gehüllt – hinabgelassen hatte, sprach der venezianische Erzbischof Benedetti die Totengebete am offenen Grab, was allgemein Verwunderung auslöste, war der Tote doch nur ein einfacher Sekretär gewesen. Man erklärte sich die Geste Benedettis damit, dass der Verblichene eines
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