In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
plötzlichen und grausamen Todes gestorben war, und der Dominikaner Mitleid mit seinem Schicksal verspürte, da er ohne Beichte und Letzte Ölung vor seinen Schöpfer hatte treten müssen. Nach den Vorstellungen der Kirche bedeutete das die Verdammung, aber vielleicht konnten ja die Gebete eines so großen Herrn die Hölle erweichen.
Unter den Menschen, die den Ermordeten auf seinem letzten Gang begleiteten, befand sich auch Cunrat. Er fühlte sich auf geheime Weise mitschuldig am Tod Ambrogios, aber das war ein Gefühl, das er nicht einmal Gretli erklären konnte, die ihn begleitete. Cunrat hatte sie gebeten, mit ihm zu kommen, als sie am Vortag an seinem Stand Brot eingekauft hatte. Da die Beerdigung an einem Sonntag stattfand, war ihre Herrin, die Tettikoverin, einverstanden gewesen. So hatte der Tod des Übersetzers den beiden eine Gelegenheit beschert, sich zu treffen, aber ihr Wiedersehen war nicht so, wie Cunrat es sich gewünscht hätte. Zwar stotterte er nicht mehr, aber dennoch fühlte er sich unsicher, als Gretli nun scheu neben ihm herging und Gebete für den Toten vor sich hinmurmelte. Was sollte er zu ihr sagen? Worüber sprach man mit einer Frau wie Gretli, die vor Kurzem noch in einer Sammlung frommer Beginen gelebt hatte? Am liebsten hätte er gar nichts geredet, sondern sie einfach umarmt und an sich gedrückt, aber das war hier vor allen Leuten nicht möglich, und vielleicht wollte sie das ja auch gar nicht mehr. Dabei dünkte sie ihm so schön wie nie zuvor. Sie trug einen einfachen, dunklen Schleier über ihren roten Haaren und war wieder in den schwarzen Mantel gehüllt, den sie auch in der Christnacht getragen hatte. Von oben versuchte er zu erspähen, ob sie seinen Anhänger trug, und als sich einmal der Mantel ein wenig öffnete, sah er das Sammetband, das in ihrem Ausschnitt verschwand. Sein Mut stieg wieder ein wenig, und er versuchte, sich auf die Totengebete zu konzentrieren. Alles andere verschob er auf später.
Als Cunrat schließlich mit gesenktem Haupt am Grab stand und ein Vaterunser sprach, hatte er plötzlich das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Er hob den Kopf und sah direkt in die kühlen Augen von Hanns Hagen. Der Vogt war mit weiteren Vertretern der Stadt beim Leichenbegräbnis erschienen, und nun hatte er Cunrat ins Visier genommen. Sein Blick verhieß nichts Gutes, und der Bäckergeselle bemerkte, dass er mit einem Stadtwächter flüsterte, der neben ihm stand, und dabei auf ihn wies.
Dann entdeckte Cunrat in der Reihe der Trauernden noch ein anderes bekanntes Gesicht. Erst nach einigen Augenblicken erinnerte er sich, woher er den Mann kannte, der mit düsterem Blick in die Totengrube starrte: Es war der dritte Passagier, der mit ihm und Tettinger auf der Lädine nach Costentz gereist war.
Als die Trauerfeier zu Ende ging, machten sich die Leute zitternd vor Kälte auf, in den Schankstuben Wein und Wärme zu suchen. Cunrat und Gretli schlossen sich ihnen an. Sie wollten zuerst ins nahe Lörlinbad gehen, weil sie dort vielleicht auch Giovanni treffen würden. Doch dann fiel Cunrat ein, dass Frauen bei Rosshuser nicht erwünscht waren, und so gingen sie weiter zum nächsten Lokal, in die Schänke Zum Lamm , die gleich nach dem Bischofstörle in der Webergasse lag. Nebenan befand sich das Haus Zum Fasan , vor dem Cunrat einst Gretli und Schwester Elsbeth mit einem Korb gesponnener Wolle getroffen hatte. Das Wirtshaus Zum Lamm gehörte schon seit vielen Jahren einem Wirt namens Ruof Lämbli, dessen Name auf das Lokal übergegangen war. Dieser Lämbli war ein jovialer Mann, der gern Spielleute in seine Wirtsstube lud, und auch heute waren ein Lautenspieler und ein Schlagwerker am Musizieren. Cunrat erkannte in dem Mann mit der Laute den Musikus Froschmaul, der so knapp dem Zungenschlitzen entkommen war.
Doch Cunrat und Gretli staunten nicht schlecht, als sie Giovanni dort sitzen sahen, allein an einem Tisch, vor einem Krug Wein. Missmutig stierte er vor sich hin. Cunrat drängte das Mädchen auf einen Hocker an Giovannis Tisch und setzte sich neben sie. Da hob der Venezianer den Kopf, und der Missmut fiel ein wenig von seinem Gesicht ab, als er sie ins Auge fasste.
»So, du hast dein Gretli mitgebracht. Sie ist wirklich eine hübsche Dirn!«, bemerkte er mit Kennerschaft, doch seine Stimme klang traurig. Cunrat lächelte stolz, während Gretli schüchtern zur Seite sah.
»Gretli, du kennst ja Giovanni. Vom Spital her.«
»Ja, ich erinnere mich an Euch. Was macht Euer
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