In Nomine Diaboli: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman)
eine Dienstleistung kostete.
»Nächstes Mal schreibe ich für dich«, sagte Gretli, »dann kannst du das Geld sparen!«
»Wie kommt es, dass du schreiben kannst?«, wollte Cunrat nun doch wissen.
Gretli senkte traurig den Kopf.
»Mein Vater war Goldschmied. Er hatte seine Werkstatt und den Laden in Überlingen, nicht weit von der Schiffslände. Meine Mutter arbeitete bei ihm mit, sie war sehr klug und half ihm vor allem beim Verkauf und wenn es ums Rechnen ging. Sie hat mir alles beigebracht. Da ich ihr einziges Kind war, sollte ich Werkstatt und Laden einmal übernehmen, aber dann ist mein Vater am Fieber gestorben. Die Mutter hat noch eine Weile versucht, das Geschäft weiterzuführen, aber es gab mehrere Goldschmiede in Überlingen, und schließlich hat sie an einen Konkurrenten verkauft. Kurz darauf ist auch sie gestorben, und da meine Tante in Costentz lebte, bin ich zuerst zu ihr und nach ihrem Tod zu den Mäntellerinnen gekommen.«
Cunrat fühlte Mitleid mit Gretli, die Heim und Familie verloren hatte, doch er dachte auch, dass ihr Unglück vielleicht eine göttliche Fügung war, damit sie ihn hatte treffen können, für den sie bestimmt war.
Er legte zärtlich den Arm um ihre Schultern, aber bevor sie gemeinsam zum Hafen spazierten, um zu sehen, ob am nächsten Morgen jemand nach Ravensburg reiste und seinen Brief mitnehmen konnte, wollte Gretli noch einen Botengang für die Familie Tettikover erledigen.
»Ich brauche Kindbetterwürze für die Frau Tettikoverin«, erklärte sie Cunrat. Der wusste einen Pulverkrämer, bei dem man alles Mögliche kaufen konnte: Speisewürze mit viel Pfeffer, safrangesättigte Gutwürze und natürlich auch die bewährte Kindbetterwürze mit Ingwer für die Kranken.
»Außerdem hält er noch viele andere Dinge feil: Quecksilber und Zinnober, gesottenen Wein, Gewandbesenlin, Handschuhe, Säckel, Nestel, Zwirn, Messingringlein und dergleichen mehr!«, zählte Cunrat auf. »Sein Stand ist direkt gegenüber der Stephanskirche, wo wir auch manchmal mit unserem Ofen stehen.«
Doch damit kam er bei Gretli schlecht an.
»Vor dem Lotter hat Schwester Elsbeth mich gewarnt! Er mag seine Spezereien zwar billiger verkaufen als andere, aber man weiß nie, womit er seine Würzen mischt, ob nicht auch Holzstaub, gebranntes Brot oder Ruß darin sind! Nein, ich kaufe das Gewürzpulver nur beim Krämer Muggenfuß in den Lauben beim Haus Zum Elefanten . Da weiß ich, dass in der Kindbetterwürze nur Ingwer, Zimt, Nelken, Muskatnuss und Pariskörnlein drin sind. Die bekommt Frau Tettikoverin in ihren gesottenen Wein, und das gibt ihr wieder Kraft. Sie hat selber gesagt, seit ich ihr die Würze kaufe, schmeckt sie viel besser und drückt ihr nicht mehr auf den Magen.«
Cunrat wunderte sich darüber, was Gretli alles wusste, und er folgte ihr ohne Widerrede in die Plattengasse, wo Krämer Muggenfuß auch am Sonntag seinen Laden geöffnet hatte. Nachdem Gretli zwei Leinensäckchen mit Speisewürze und ein Säckchen mit Kindbetterwürze erstanden hatte, schlenderten sie weiter zum Hafen wegen Cunrats Brief.
Tatsächlich wurde auch hier gearbeitet: Auf eine Lädine wurden Waren für die Ravensburger Handelsgesellschaft verladen. Cunrat fragte einen teuer gekleideten Mann, der das Einladen beaufsichtigte, ob er einen Brief an seinen Bruder, den Schuhmachermeister Wolgemut mitnehmen könne, damit der ihn an die Mutter weiterleite. Gegen drei Pfennige Handgeld war der Mann dazu bereit.
Vom See her wehte ein rauer Wind, und ihnen wurde langsam kalt. Cunrat fragte, ob Gretli etwas essen wolle, und schlug vor, ins Lamm zu gehen. Da die Gottesdienste nun überall zu Ende waren, strömte das Volk durch die Straßen und drückte sich durch die engen Gassen, die zwischen den Krämerbuden frei geblieben waren. Auch das Lokal von Ruof Lämbli war brechend voll, aber sie konnten sich noch an einen Tisch dazusetzen. Rasch wurde ihnen eine gehörige Portion dampfendes Fleisch serviert und ein Krug Wein dazu.
Nachdem sie sich gesättigt hatten, spazierte Cunrat mit seinem Mädchen zur St.-Johann-Kirche, weil er ihr sein Lieblingsfenster zeigen wollte. Zwar schien die Sonne nicht durch die Scheiben, denn es war ein Tag mit hohem Nebel, aber umso feiner erschien die graue Haube der Heiligen Margarethe. Andächtig schaute Gretli nach oben, und Cunrats Blick wanderte vom Fenster herab zu ihrem Profil und wieder hoch. Giovanni mochte recht gehabt haben, Gretli hatte eine größere Nase als die Heilige, aber
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