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In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

Titel: In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Eltern alle zwei Habt mich umsorgt vom ersten Schrei.   Noch heute dank ich euch dafür, Ihr beiden lieben Eltern ihr!
    Vielleicht ein wenig trocken, wenn auch keineswegs ohne die gewünschte Dankbarkeit und Ehrfurcht. Ein brauchbarer Anfang.
    Während ich über die Fortsetzung nachdachte, wurde ich von einem Boten gestört, der mir einen Blumenstrauß mit einem Kärtchen überbrachte. Auf dem Kärtchen stand: »Alles Gute! Bitte um halb acht!«

    Die nächste Strophe lautete:
    Liebe Mutter und lieber Vater,
    Ihr seid meine besten Berater,
    Ihr zeigt mir das Leben so, wie es ist.
    Seid in Verehrung umarmt und geküßt.

    Die nächste Störung erfolgte durch das Telefon: »Wie sieht's aus?«   erkundigte sich das besorgte Vaterherz. »Haben Sie schon etwas fertig?«
    Ich las ihm das Ergebnis meiner bisherigen Arbeit vor.  
    »Nicht schlecht«, meinte er. »Aber auch der Name des Jungen sollte gereimt werden. Er liebt uns abgöttisch. Sieben Uhr zwanzig?«
    »Ich werde mein Bestes tun«, versicherte ich ihm, schaltete das Telefon aus und machte mich auf die Suche nach einem Reim auf Jonas. Es war zu dumm. Hätten die Leute ihren überflüssigen Sprößling nicht anders nennen können? Zum Beispiel Gideon, mit dem eingebauten Reim auf Sohn? Ganz zu schweigen von Ephraim, ein vorbildlicher Name, der sich wie von selbst auf Jeruscholajim reimt, und das paßt immer. Aber nein, Jonas muß er heißen.  

    Endlich hatte ich ihn erwischt:
    Euch, Eltern, gilt mein kindlich Sehnen,  
    Euch gelten meine Dankestränen.  
    Schon machen sie mein Mikrophon naß –  
    Es schluchzt vor Rührung euer Jonas.

    Darüber war es Nachmittag geworden und Zeit für die Ankunft eines Telegramms: »Mehr Gefühl mehr Tempo bitte um Fertigstellung bis sieben Uhr.«
    Allmählich begannen sich bei mir gewisse Ermüdungserscheinungen bemerkbar zu machen. Nach der vierzehnten Strophe ging ich unter die Dusche, wo ich es bis zur achtzehnten brachte, dann dichtete ich in der Badewanne weiter, aber ein geeigneter Schluß wollte sich auch am Schreibtisch nicht einstellen und fehlte selbst dann noch, als um halb sieben der Bote des abgöttisch geliebten Elternpaares eintraf, um das Manuskript abzuholen. Er pflanzte sich dicht hinter meinem Schreibtisch auf und ließ mich wissen, daß er den Motor seines Wagens nicht abgestellt hätte.
    Unter dem Druck dieser Inspiration warf ich die abschließende Strophe aufs Papier:

    So laßt mich, teure Eltern, enden –  
    Mein Schicksal liegt in euern Händen.
    Dort bleibt es liegen allezeit,
    In Freud und Leid und Dankbarkeit.

    Der Bote riß das Papier an sich und verschwand. Ich durfte mir sagen, daß ich die einseitig festgesetzte Stunde der Ablieferung genau eingehalten hatte. Dann fiel ich in tiefen, traumlosen Schlummer.
    Wochen vergingen, ohne daß ich von meiner Bank etwas über den Eingang eines Honorars oder von meinem Auftraggeber ein diesbezügliches Sterbenswörtlein gehört hätte.
    Ich griff zum Telefon und fragte ihn, ob die Sache damals in Ordnung gewesen sei.
    »Welche Sache?« fragte er zurück. »Wann?«  
    Nicht ohne Stolz gab ich mich als Verfasser der kunstvoll gereimten Rede zu erkennen, die Jung-Jonas zur Feier seiner Bar-Mizwah gehalten hatte.
    »Ach so«, klang es mir ans Ohr. »Richtig. Ich erinnere mich. Leider habe ich noch keine Zeit gehabt, ihr Manuskript zu lesen. Rufen Sie mich doch noch einmal an.«
      »Morgen früh? Um acht?«
    »Es eilt nicht. Vielleicht gegen Mittag. Oder nächste Woche.«

Ein nicht ganz orthodoxes Gespräch

    Bei jeder »Bar-Mizwah«-Feier stellt sich die Frage, nach welchem Ritus die Wandlung des Jünglings zum Manne vollzogen werden soll. Das Streitgespräch über diesen Punkt findet nicht etwa zwischen den jeweils beteiligten Eltern und Söhnen statt, sondern zwischen den verschiedenen rabbinischen Gremien. Und es geht dabei schon deshalb so hitzig zu, weil der Mensch seinem Mitmenschen alles verzeihen kann bis auf eines: daß er nach einem anderen Ritus zu seinem Schöpfer betet. Im Lande Israel tobt der Disput am leidenschaftlichsten zwischen jenen, welche die von Moses erlassenen Gesetze bis zum kleinsten Buchstaben genauso beobachten, wie sie damals auf der Generalversammlung am Berg Sinai protokolliert wurden - und einer Reformbewegung, die darauf Rücksicht nimmt, daß sich seither einiges auf Erden geändert hat und daß die Menschheit mit Computern, Vitamintabletten, Che Guevara und der Ehe ohne Trauschein gesegnet wurde.
    Daß ich in

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