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In Schönheit sterben

In Schönheit sterben

Titel: In Schönheit sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Goodhind
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anschaute, wenn auch verstohlen, als wollte er nicht, dass sie es bemerkte.
    Die Arbeit im Hotel hatte ihre Beobachtungsgabe und ihre Menschenkenntnis geschärft. Der Mann schaute sich um, als suchte er jemanden. Alles an ihm sprach von brutaler Gewalt und Dummheit. Seine Körperform verriet ihn. Wer nicht im Hotelgewerbe arbeitet, weiß wahrscheinlich nicht, dass man Leute nach Formen kategorisieren kann. Ihre Mutter war zum Beispiel ein Oval. Ihre Großmutter ein sehr schmales Rechteck. Und Mr. Carpenter war eindeutig ein Quadrat.
    Er hatte einen beinahe quadratischen Schädel, und der Bürstenhaarschnitt hob das noch hervor. Seine Augen warenwie kleine blaue Splitter über fast quadratischen Wangen. Sein Kinn war kantig. Sein Körper war quadratisch-kantig. Er war zwar nicht groß – etwa einssiebzig –, aber er wirkte sehr kräftig. Sie konnte sich ihn im Kilt vorstellen, wie er einen Baumstamm durch die Gegend warf. Allerdings war das wahrscheinlich nicht sein Fall, überlegte Lindsey. Wäre sein Name MacDonald gewesen, na ja, dann vielleicht.
    Er steckte den Schlüssel in die Tasche seines marineblauen Jacketts, beugte sich herunter und nahm seine Tasche auf – eine marineblaue Reisetasche, die Kleidung enthalten konnte, aber ebenso gut durchaus auch Sportgeräte, ein Musikinstrument oder ein Sturmgewehr.
    Sie beschrieb ihm den Weg zu seinem Zimmer, alles mit dem üblichen freundlichen Lächeln, als fühlte sie sich in seiner Gegenwart wohl – was wirklich nicht der Fall war.
    Er schnaubte verächtlich. »Hab schon in besseren Hotels gewohnt.«
    »Warum wollen Sie dann hier übernachten? Es gibt in Bath jede Menge Hotels. Sie müssen nicht hierbleiben.«
    Irgendetwas an ihrem Tonfall schien ihn stutzig zu machen. »Sie brauchen nicht gleich in Verteidigungsstellung zu gehen.«
    »Ach, wirklich?«
    Geschäft war Geschäft, aber lieber wollte sie ihn loswerden.
    Das schien er zu spüren. »Ihr Arbeitgeber hat wirklich Glück. Sie sind sehr loyal. Sind Sie schon lange hier angestellt?«
    »Lange genug.« Sie entschuldigte sich nicht dafür, dass sie so kurz angebunden war. Sie konnte den Typen einfach nicht leiden.
    »Gefällt Ihnen die Arbeit?«
    Sie erinnerte sich gerade noch rechtzeitig daran, dass er ja schließlich für seinen Aufenthalt hier bezahlte. »Ja. Es ist ein sehr schönes Hotel.«
    Lindsey verspürte unerwarteten Stolz, als der Mann den eleganten Empfangsbereich musterte. Die Wände waren in einem dunklen Blau gehalten, und die Spiegel, Kronleuchter und Gemälde waren sehr an den Stil von Ludwig XIV. angelehnt. Die Renovierung lag noch nicht lange zurück. Sie war ein bisschen planlos verlaufen, nachdem der Innenarchitekt das Zeitliche gesegnet hatte, aber dann hatte sich ein freundlicher Deutscher der Sache mit großem Schwung angenommen.
    »Das werden wir ja sehen.«
    Diesen Kommentar schien er eher für sich zu machen.
    Lindsey hatte ihn jedoch gehört. Misstrauen stieg in ihr auf. Sie roch beinahe, dass hier etwas nicht stimmte. Mr. Carpenter hatte sich im Empfangsbereich umgeschaut, als müsste er eine Punktwertung von 1 bis 10 vergeben. Außerdem war er ein Einzelreisender mit wenig Gepäck und forschendem Blick. Und er war ausgerechnet zur schlimmsten Zeit gekommen, denn ihre Mutter war ja nicht anwesend.
    Da dämmerte ihr die schreckliche Wahrheit. Der Hotelinspektor! Das musste er sein!
    Erste Aufgabe: Dem Chefkoch Mitteilung machen. Dann den Zimmermädchen. Dann Dumpy Doris, die gerade den Staubsauger durchs Restaurant schob.
    Zum Glück hatte Lindsey ihre schnellen Turnschuhe an. Es kam auf die Sekunde an.
    »Anna! Kannst du hier übernehmen? Und hol die Möbelpolitur raus.«
    Anna guckte erstaunt. »Du willst, dass ich poliere? Das habe ich schon heute Morgen gemacht.«
    »Es riecht nicht mehr stark genug danach«, zischte Lindsey. »Sprüh noch ein bisschen in die Luft. Auf den Teppich, das reicht. Dann duftet es hier gut.«
    »Okay.« Anna nickte bedächtig, während sie Lindsey anschaute, als hätte die plötzlich den Verstand verloren.
    Lindsey flitzte in die Küche, selbstverständlich erst,nachdem sie angeklopft hatte. »Mist. Mist. Mist«, murmelte sie, als sie den Raum betrat.
    Smudger plattierte gerade mit einem hölzernen Fleischklopfer eine Reihe von Kalbsschnitzeln. Der Hammer blieb auf halber Höhe, als ihre Blicke sich trafen.
    »Du willst mir sagen, dass es ein Problem gibt«, meinte er feierlich. Er sah nicht aus, als wäre er wütend. Aber er wirkte durchaus so, als

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