In Schönheit sterben
die Dinger funktionierten. Honeys Gedankengänge waren einfach anders. Aber jetzt war der Augenblick gekommen, in dem sie ihr mageres Wissen unter Beweis stellen sollte.
Beklommen und leicht überfordert, zog sie ein paar nicht verschlossene Schreibtischschubladen auf, falls die Computerdateien auch noch in guten, alten Aktenordnern gesichert waren. Das waren sie eindeutig nicht.
Honey hockte auf der äußersten Kante des schwarzen Ledersessels, ihre Finger schwebten über der Tastatur, und sie starrte auf den Bildschirm.
Und starrte.
Und starrte.
»Wie zum Teufel soll ich da reinkommen?«, sagte sie laut.
Sie hatte keine Ahnung. Das war eine Riesenhürde. Jedesnoch so motivierte Springpferd würde vor einem so hohen Zaun verweigern. Was für eine Chance hatte sie da?
Sie wusste es nicht. So lange sie auch starrte, in das System würde sie so nicht reinkommen. Das verdammte Ding wollte ein Passwort von ihr wissen. Und sie hatte keins.
Auch eine kurze Suche in den Schreibtischschubladen brachte keines zum Vorschein. In einer solchen Situation gab es nur eine Lösung: Man kontaktierte eine Expertin.
Auf dem Schreibtisch stand ein Telefon. Endlich hatte sie wieder eine Verbindung zur Außenwelt!
»Genau wie ET – ich will zu Hause anrufen«, murmelte sie und tat genau das.
Lindsey war am Apparat.
»Green River Hotel, guten …«
»Lindsey! Hör mir gut zu. Ich habe nicht viel Zeit. Ich sage das alles nur genau einmal …«
Irgendwie klang das, als wäre sie eine Kämpferin in der französischen Résistance im zweiten Weltkrieg. Drehte sie jetzt schon durch, nach so wenigen Tagen Isolation von der Außenwelt?
»Mum! Bin ich froh, dass du anrufst!«
»Lindsey, ich muss mich in ein Computersystem reinhacken.«
Ihre Stimme krächzte, weil sie sich so sehr bemühte, leise zu sprechen.
»Ich glaube, du musst nach Hause kommen … Oma scheint zu denken …«
»Ich kann nicht. Ich muss das hier durchziehen.«
»Okay, okay.« Lindsey seufzte. »Du kannst dich nicht so leicht in ein System hacken. Wie viel Zeit hast du?«
»Fünf Minuten. Vielleicht zehn.«
»Vergiss es. So einfach ist das nicht.«
»Das hatte ich befürchtet.«
»Wieso willst du überhaupt in das System?«
»Um ein paar Akten in einer Schönheitsfarm zu überprüfen.«
»Ich hab’s! Du bist da, wo die Frau im Schlammbad ertränkt worden ist. Dazu hat dich Doherty angestiftet, stimmt’s?«
»Sie ist nicht im Schlamm ertränkt worden. Es hat sie jemand mit der Schlammpackung auf ihrem Gesicht erstickt und dann in das Bad gedrückt. Jedenfalls zahlen sie mir alle Spesen. Ich habe gerade Botox-Spritzen in die Mundfalten gekriegt. Ich habe so getan, als würde ich in Ohnmacht fallen, aber die haben einfach weitergemacht.«
»Das klingt aber gar nicht gut.«
»Also, was kann ich tun – mit dem Computer, meine ich?«
»Gar nichts. Nicht in fünf Minuten.«
Das klang auch nicht gut.
Da Honey Lindsey schon einmal am Telefon hatte, wollte sie sich eigentlich noch erkundigen, wie es im Green River Hotel so lief, nach ganz alltäglichen Dingen fragen, ob zum Beispiel Smudger schon irgendwelche nörgelnden Speisegäste enthauptet hatte, oder ob Mary Jane, ihre hoteleigene Professorin der Parapsychologie, mit den grellen Outfits schon die ersten Gäste und die Geister verscheucht hatte.
Sie brachte nur die ersten paar Worte heraus, ehe die Tür aufging. Serena Sarabande kam herein, und Honey sackte der Magen in die Kniekehlen.
»Ich muss jetzt Schluss machen, Lindsey. Es ist gerade jemand reingekommen.« Sie legte den Hörer wieder auf. »Meine Tochter«, sagte sie und versuchte es mit einem verlegenen Lächeln.
Serena Sarabandes Züge sahen aus, als wären sie in Stein gemeißelt. Ihre Augen blickten starr. Hätte sie zu lächeln versucht, ihr Gesicht hätte Risse bekommen.
Serena machte die Tür weit auf, eine deutliche Aufforderung, dass Honey das Zimmer gefälligst verlassen sollte, und zwar schnell!
Da Serena ihr nicht geheuer war, fügte sie sich artig underwartete beinahe, dass die Frau, die einiges größer war als sie, ihr eine Ohrfeige geben würde, während sie an ihr vorüberschritt. Das war wirklich gruselig.
Plötzlich blieb sie stehen. Warum zum Teufel fühle ich mich wie eine verängstige Pennälerin? So was konnte sich doch die Verbindungsfrau des Hotelfachverbands zur Kripo nicht gefallen lassen! Schließlich hatte sie einen Ruf zu wahren! Sie musste so schnell wie möglich hier weg – das hatte erste
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