In Schönheit sterben
Hotelinspektor war, den die Automobile Association 2 geschickt hatte, gab André diesem Gast einen Tisch am Fenster. Der unter dem Speisesaal gelegene Keller war eher ein Souterrain und hatte auch Fenster zur Straße. Daher betrug der Abstand zwischen dem Gebäude und dem Gehsteig etwa drei Meter. Also konnte man von den Fenstertischen auf die Welt draußen schauen, ohne dass die Welt draußen einem auf den Teller guckte.
Der Hotelinspektor hatte als Vorspeise Jakobsmuscheln bestellt und als Hauptgericht ein Steak. André trug den leeren Teller nach dem Hauptgang höchstpersönlich ab. In der Küche wartete bereits der Chefkoch auf ihn.
»Was hat er gesagt?«
Auf Smudgers Stirn stand der Schweiß. Es war heiß in der Küche, aber an den wilden Augen des Kochs konnte André leicht ablesen, dass der Schweiß eher auf nervliche Anspannung als auf Hitze zurückzuführen war.
André stellte den Teller ab und verdrehte die Augen. »Er hat gesagt, es wäre in Ordnung gewesen.
»In Ordnung? In Ordnung? Dieser Scheißkerl! Ich reiß mir hier den Arsch auf für sein Steak. Das war perfekt! Perfekt, verdammt noch mal!«
»Biiiiitte!«, murmelte André und schloss verzweifelt die Augen. »Dieses Rumgefluche ist nun wirklich nicht nötig!«
Völlig gleichgültig für alles außer der Reaktion des Hotelinspektors auf seine Kochkünste murmelte Smudger weitere Schimpfworte vor sich hin. Seine Augen waren schon ganz glasig, und André konnte das nur als zeitweiligen Wahnsinn deuten.
Smudger versuchte es noch einmal. »Irgendwas muss er doch gesagt haben?«
»Ja«, blaffte Andre. »Er sagte, er hätte gern die Himbeer-Crème-Brûlée.«
Smudger zwinkerte. Er schien die Worte auf sich wirken zu lassen. »Richtig. Himbeer-Crème-Brûlée soll er kriegen. Die beste, die er je gegessen hat! Die gottverdammt beste!«
Wild entschlossen, dem Hotelinspektor irgendeinen Kommentar zu entlocken – wie schmerzlich er auch sein mochte –, fegte Smudger wie ein Windhund durch die Küche, sammelte Zutaten und Gefäße zusammen – alles für diesen einzigen Gast.
André schaute ihm voller Staunen und mit einem verkniffenen Ausdruck auf dem fein geschnittenen Gesicht zu.Er saugte die Wangen ein, spitzte die Lippen und brachte noch eine einzige weitere Beobachtung an.
»Hotelinspektoren geben ihren Kommentar gewöhnlich nicht vor dem Auschecken ab.«
Smudger wedelte mit dem Schneebesen in seine Richtung. »Vertraue mir, das ist einer. Lindsey versteht was davon.«
André wollte keine schlafenden Hunde wecken und konzentrierte sich darauf, die Hauptgerichte für zwei in Bath bestens bekannte Geschäftsleute aufzutragen. Nach den Gesprächsfetzen zu urteilen, die er aufschnappte, schienen sie ein Angebot für Bauland machen zu wollen, auf dem Seniorenwohnungen entstehen sollten.
»Guten Appetit«, wünschte er den beiden.
Dann bemerkte er, dass das Weinglas des Hotelinspektors leer war, und ging als Nächstes an dessen Tisch.
»Noch einen Schluck Wein, Sir?«
»Sicher. Ich würde ja keine ganze Flasche bezahlen, wenn ich nicht die Absicht hätte, sie zu trinken, oder?«
Der Tonfall des Mannes war überraschend mürrisch. Hotelinspektoren waren gewöhnlich sehr höflich, sogar in Hotels, in denen es nur so vor Ratten und Kakerlaken wimmelte. Wenn einer von seinen Leuten den Mann geärgert hatte, der würde etwas von ihm zu hören kriegen! Während er dem Mann Wein nachschenkte, flogen Andrés Augen von einem Kellner zum anderen. Keiner von ihnen wirkte irgendwie verwirrt oder schuldbewusst. Keiner sah so aus, als hätte er dem Hotelinspektor ein zweites Brötchen verweigert oder Soße auf den Schoß gekippt.
Er merkte, dass die Augen des Gastes auf ihm ruhten. Als echter Profi schaute André ihm nicht in die Augen. Wie alle guten Kellner begriff er, dass es am besten war, so zu tun, als wäre es ihm nicht aufgefallen.
»Sagen Sie mir«, fragte der Mann, »kennen Sie eine gewisse Mrs. Hannah Driver?«
»Natürlich.«
»Sie wohnt hier. Stimmt das?«
»Ja, sie wohnt hier.«
David Carpenter nickte nachdenklich. »Schon lange?«
»Etwa vier Jahre, Sir.«
Der Mann runzelte die Stirn. »Das ist eine lange Zeit, wenn man Hotelgast ist.«
Es lag André auf der Zunge, dem neugierigen Herrn zu erklären, dass Mrs. Hannah Driver keineswegs ein Hotelgast war, sondern die Besitzerin des Hauses. Aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Er arbeitete schon lange genug im Gastgewerbe und konnte Menschen beurteilen. Seiner Erfahrung nach war
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