In Schönheit sterben
Küsschen wiedergutmachen.« Sie warf ihm die Arme um den Hals und drückte ihn fest.
Er jaulte vor Schmerzen auf. »Aua!« Er fuhr sich mit einer Hand ins Kreuz, mit der anderen an die Rippen, während er vor und zurück schwankte.
»O je! Tut mir leid! Tut mir leid!«
Honey streckte wiederum die Hand nach ihm aus, wagte es aber nicht, ihn zu berühren.
»Tut es so weh?«
»Na ja, du bist kein Leichtgewicht.«
»Aua. Das hat gesessen. Ich habe ja gerufen, aber du hast mich nicht gehört.«
Er bedauerte seine Worte sofort. »Okay. Also, was zum Teufel hattest du da oben zu suchen?«
Sie schmiegte sich vorsichtig an ihn. »Hast du es nicht bemerkt?«
Detective Inspector Steve Doherty bildete sich einiges darauf ein, ein Polizist mit einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe zu sein, aber was hätte er hier beobachten sollen?
Honey erklärte es ihm unverzüglich.
»Schau doch mal.«
Sie deutete auf das Fenster, wo sie noch wenige Minuten zuvor festgehangen hatte. »Das Fenster ist nicht ganz in Ordnung. Da fehlen ein paar Glasscheiben – zum Glück für mich, wie sich herausgestellt hat. Und diese Stufen«, sagte sie, zerrte ihn am Ärmel zur Treppe und deutete auf den bröckeligen Stein. »Das Mauerwerk ist auch ziemlich morsch.«
Doherty sah sich alles an und pflichtete ihr bei, dass das alte Gebäude in vielerlei Hinsicht etwas liebevolle Zuwendung gebrauchen könnte.
»Hat er sich vielleicht deswegen mit English Heritage in Verbindung gesetzt? Finanzieren die nicht solche Renovierungsarbeiten und so?«
Da stimmte sie ihm zu. »Aber deren Mittel sind auchnicht unerschöpflich. Dieses Gebäude braucht drinnen wie draußen sehr viel mehr als nur ein bisschen liebevolle Zuwendung. Deshalb war ich da oben. Ich wollte sehen, ob es drinnen genauso aussieht wie draußen. Der Raum links scheint in Ordnung zu sein, aber der hier drüben müsste dringend von Grund auf renoviert werden. Der größte Teil der Decke liegt auf dem Fußboden, zwischen den Dielen sind große Lücken, und die Fenster sind morsch.«
»Und das alles hast du herausgefunden, als du auf dem Fensterbrett standest.«
»Ich hatte ja genug Gelegenheit, mir das genau anzuschauen, weil mein edler Ritter anderweitig beschäftigt war.«
Doherty sagte nachdenklich: »Na ja, wir können es ihm nicht anlasten, dass er ein historisches Anwesen verfallen lässt.«
Honey starrte ihn an und schüttelte ungläubig den Kopf.
»Begreifst du denn nicht? Er muss sein eigenes Gemüse anbauen, um zu überleben. Er hat große Geldsorgen, Steve. Der ist völlig pleite.«
»Und was willst du damit sagen?«
Sie zuckte die Achseln. Was sie damit sagen wollte? Ihre Gedanken waren so rasch mit ihr davongaloppiert, dass sie völlig vergessen hatte, dass Lord Macrottie nicht unter Mordverdacht stand. Warum sollte er auch? Seine Frau war auf der Schönheitsfarm gewesen, während er zu Hause die Stellung hielt und seinen Gemüsegarten beackerte und so weiter.
»Es könnte doch sein, dass er sich dort eingeschlichen und sie umgebracht hat, um an das Versicherungsgeld zu kommen.«
Doherty schüttelte den Kopf.
»Er hat ein wasserdichtes Alibi. Er hat in der Kneipe im Ort gekegelt. Es gab jede Menge Zeugen.«
»Oh!«
Sie dachte wieder daran, dass man auf dem Gelände desBeauty Spot eine etwas abgerissene Gestalt gesehen hatte. »Die richtige Kleidung hat er jedenfalls an«, meinte sie.
Doherty seufzte. »Und jetzt sagst du wahrscheinlich gleich, dass auch der Gärtner abgerissene Kleidung trägt. Vergiss es. Du klammerst dich an Strohhalme.«
Honey atmete tief aus und blies sich ihre nassen Haarfransen aus dem Gesicht.
»Es war ja nur eine Idee. Sollen wir uns auf den Weg machen?«
Sein Handy klingelte. Es überraschte sie, dass er mit dem Telefon am Ohr von ihr wegging und eine Hand vor den Mund hielt.
Das tat er sonst nicht.
»Hab ich was Falsches gesagt?«
Er hörte sie nicht. Sie hatte auch nicht besonders laut gesprochen.
Er hatte auf dem Display nachgesehen, wer anrief, kannte also sein Gegenüber und wollte nicht, dass sie das Gespräch mithörte.
Das hatte er noch nie gemacht. Selbst wenn der Polizeipräsident am Apparat war, war er doch immer in ihrer Nähe geblieben. Es hatte nie Geheimnisse zwischen ihnen gegeben, ganz gewiss keine Heimlichtuerei. Dass er nun so offensichtlich etwas vor ihr verbergen wollte, hätte sie nicht verletzen sollen. Trotzdem tat es das.
Seit sie zusammen waren, war zwischen ihnen alles immer offen und ehrlich gewesen.
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