In Schönheit sterben
den Zementberg, der sich vor seinen Augen auftürmte.
»Ausschalten! Ausschalten!«, brüllte er.
Aus einem Augenwinkel sah er Charlie auf sich zurennen, so schnell ihn seine alten Beine trugen.
Außerdem bemerkte er, dass der Alte den Mund weit aufgerissen hatte, und stellte sich vor, was er vielleicht schrie.
»Scheiße!«, murmelte er, als die Schütte endlich bebend zum Stillstand kam. »Scheiße!«
Charlie blickte in den Graben hinunter. Es war nicht leicht, in seinem Gesicht zu lesen, aber angenehm war er nicht anzuschauen. Er schien völlig entsetzt zu sein.
In Gedanken nahm Kevin bereits seine Entlassungspapiere und seinen letzten Lohn in Empfang und hörte schon die warnenden Worte, er sollte sich bloß nie wieder auf dieser Baustelle blicken lassen. Wenn er sich entschuldigte und lange genug bettelte, dann vielleicht …?
Der Fahrer sprang aus der Kabine, mit geballten Fäusten und zornig gerötetem Gesicht.
Erst sah es so aus, als wollte er sich auf Kevin stürzen, aber dann hatte er wohl das Entsetzen auf Charlies Gesicht bemerkt.
Die Miene des Lastwagenfahrers drückte eine Mischung aus Wut und Verwirrung aus, als er Kevin unsanft aus dem Weg schob und an ihm vorbeischritt.
Charlie deutete mit der Hand in die Baugrube, hatte den Mund aufgerissen, gab aber keinen Laut von sich.
Der Fahrer stand neben Charlie. Auch ihm war der Unterkiefer auf die Brust gesackt.
Kevin, der ganz bleich war und dem die Knie zitterten, schaute an die Stelle, auf die die beiden die Augen gerichtet hatten.
Die lackierten Fingernägel und die feine weiße Hand wirkten unter all dem Zement merkwürdig harmlos.
Kevin zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. »Ich hab sie nicht gesehen. Ehrlich, hab ich nicht.«
Der Fahrer zog sein Handy aus der Tasche und rief die Polizei an.
Kapitel 28
Honey schlug kurz die Augen auf und fragte sich, ob sie wirklich zu Hause in ihrem Bett lag oder das nur träumte. Sie schloss die Augen und öffnete sie dann rasch wieder und kam zum gleichen Ergebnis. Sie hatte die letzte Nacht in ihrem eigenen Bett geschlafen. Das war ein ziemlicher Schock für sie, vor allem, weil sie sich so sehr daran gewöhnt hatte, in Steve Dohertys Bett zu schlafen. Obwohl die Matratze ein wenig durchgelegen war und eigentlich hätte ausgetauscht werden müssen, schlief Honey dort gut. Wahrscheinlich lag das an Steves Nähe und an seinem Duft – daran und an dem sexuellen Marathon, den sie sich normalerweise gönnten, ehe sie endlich in erschöpften Schlummer fielen.
Sie war aus einem bestimmten Grund hier. Während ihr Hirn langsam auf Touren kam, dämmerte ihr, dass sie nun wohl aufstehen und an die Arbeit gehen musste. Außerdem zeichnete sich darin allmählich der Grund ab, warum sie heute Morgen hier war. Zudem erschien plötzlich Lindsey, sodass sie vollends wach wurde.
»Nur gut, dass du hier bist. Doris hat angerufen und verkündet, dass sie auf einer Treppe feststeckt.«
Honey runzelte fragend die Stirn. Doris, ihre Frühstücksköchin wohnte in einem modernen Stadthaus von normaler Größe. Bisher hatte die Tatsache, dass Doris weit über normale Größe hatte, nicht weiter zu Problemen geführt.
»Ich kenne die Treppe bei ihr zu Hause. Die kann doch nicht das Problem sein.«
»Nein, die ist es auch nicht. Ein Nachbar fährt einen vondiesen Touristenbussen mit dem offenen Oberdeck. Doris war nach frischer Luft zumute, und so hat sie sich die Treppe hochgequetscht. Leider hat sie es nicht wieder runtergeschafft.«
Wäre Honey nicht so in Gedanken gewesen, hätte sie zumindest gegrinst. Aber Doherty hatte ihr von seiner Tochter Rachel erzählt. Und von Cheryl, seiner Exfrau.
Na gut, wahrscheinlich sollte sie sich darüber nicht so aufregen. Steve Doherty hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er geschieden war. Was sie nicht ganz verstehen konnte, war, warum er ihr bisher nichts von Rachel erzählt hatte. Noch schlimmer war, dass ihn dies in ihren Augen irgendwie kleiner gemacht hatte. Sie hatte immer gedacht, dass es zwischen ihnen keine Geheimnisse gab. Jetzt sah es ganz so aus, als gäbe es doch welche.
Lindsey setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Sie kam gerade aus der Dusche, hatte sich ein weißes Handtuch wie einen Turban um den Kopf gewickelt, ein größeres um den Leib geschlungen.
»Was ist also das Problem?«
Irgendwie wollte Honey ihrer Tochter nicht anvertrauen, dass es mit Doherty im Augenblick nicht so gut lief, dass ihre Affäre in eine Sackgasse geraten war.
Sie
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