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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anaïs Goutier
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Film-Medley hatte ich schon vor Ewigkeiten für eine andere Veranstaltung erstellt und es jetzt, ohne es noch einmal zu sichten, auf meinen Uni-USB-Stick kopiert.
    Natürlich bekamen meine Studenten gleich zu Beginn die ebenso berühmte wie berüchtigte Eingangssequenz von Luis Buñuels und Salvador Dalís Stummfilm-Klassiker Un Chien Andalou von 1929 zu sehen, in der in einer kunstvollen Montage das Schärfen eines Rasiermessers, das Vorbeiziehen einer Wolke vor dem Vollmond und das Zerschneiden des Auges eines Mädchens zu einem einzigartigen Schock-Moment verwoben wurden. Auch wenn man wusste, dass es sich in Wahrheit um das Auge einer Kuh handelte, fiel es schwer, diesem an den abjekten Ekelgrenzen und menschlichen Urängsten rüttelnden Bild standzuhalten.
    Zumindest waren jetzt alle wieder wach, die sich von dem monotonen Referatsvortag in eine lethargische Stimmung hatten versetzen lassen.
    Als nächstes folgte ein versöhnlicherer Ausschnitt aus L’Âge d’Or , der zweiten filmischen Zusammenarbeit von Buñuel und Dalí. Als ich die Aufnahme nun wieder sah, wunderte ich mich, dass ich mich beim Zusammenschnitt nicht für eine der streitbaren, äußerst blasphemischen Sequenzen entschieden hatte, sondern die surreal-absurden römischen Straßenszenen ausgewählt hatte. Aber immerhin sorgten die skurrilen Bildfindungen wie das Fußballspiel mit einer Violine für einige Lacher im Plenum.
    Ich hatte auch noch einen kurzen Ausschnitt aus Man Rays experimentellem und äußerst selten gezeigtem Stummfilm Les Mystères du Château de Dé parat, auf den die Referenten mehrfach verwiesen hatten, ehe sich mein Zusammenschnitt den späteren und nur noch vom Surrealismus beeinflussten Filmen von Luis Buñuel widmete.
    An Belle de Jour hatte ich in diesem Zusammenhang überhaupt nicht mehr gedacht. Wir sahen, wie sich Catherine Deneuve in der Rolle der gut situierten Arztgattin Séverine ihren erotischen und sadomasochistisch geprägten Tagträumen hingab. Die Protagonistin fantasierte von einer Kutschfahrt, während der sie von ihrem Ehemann und zwei Kutschern in ein Waldstück gezerrt, an einen Baum gefesselt und von den Handlangern ihres Mannes brutal ausgepeitscht wurde, während dieser eine Zigarette rauchte.
    Meine Kehle war staubtrocken und ich war froh, dass der Seminarraum für die Filmpräsentation abgedunkelt war, als ich spürte, wie meine Wangen glühten.
    Während der Ausschnitte aus Der diskrete Charme der Bourgeoisie und Dieses obskure Objekt der Begierde versuchte ich mich durch tiefes Durchatmen zu akklimatisieren, ehe ich mit ein paar kurzen Worten zu den Themen Traum und Gesellschaftskritik in Buñuels Filmen die Sitzung entgegen meiner Gewohnheit schloss, ohne eine abschließende Plenumsdiskussion zu eröffnen.
    An diesem Mittwoch stand noch eine Studiengangsitzung auf dem Programm und ich ging in mein Büro, um mich in der Zwischenzeit um die Post und einige andere Verwaltungsangelegenheiten zu kümmern. Dann fuhr ich mein Notebook hoch, um ein paar Texte für die nächste Seminarsitzung in meinem Moodle-Kurs einzustellen, einer Lernplattform, von der die Studierenden ihre Materialien nach Bedarf selbst herunterladen konnten.
    In diesem Zusammenhang checkte ich auch mein Uni-Postfach, das meist nicht sehr viele Mails enthielt, da meine Kollegen und auch meine Studierenden meine private E-Mail-Adresse kannten, deren Postfach ich sehr viel gewissenhafter pflegte.
    Diesmal jedoch erwies es sich als geradezu überfüllt. Ich befürchtete schon, das System hätte sich aufgehängt, als nach geschlagenen zehn Minuten neben ein paar internen Rundmails eine einzige E-Mail mit riesiger Dateianlage im Posteingang erschien. Obwohl ich den Absender Belle nicht kannte, vermutete ich dahinter eine Powerpoint-Präsentation irgendeines Studenten, der versäumt hatte, seine Mega-Datei zu komprimieren, doch weit gefehlt.
    Has he already done this to you? stand da. Sonst nichts. Im ersten Moment dachte ich an einen Computervirus, doch dann sah ich mir die E-Mail-Adresse im Absenderfeld noch einmal genauer an. Belle – Isabelle, natürlich!
    Mit bebenden Fingern klickte ich auf die Video-Datei im MP4-Format.
    Das Video zeigte Isabelle und Ian. Obwohl man ihn nur schräg von der Seite sehen konnte, bestand kein Zweifel. Ich spürte, wie mein Mund trocken wurde. Die beiden saßen mit Champagner-Gläsern in der Hand an einem offenen Kamin, in dem ein romantisches Feuer prasselte. Während Ian trug, was er immer trug,

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