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In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught

Titel: In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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sich direkt vor Flair Hickory auf. Die beiden Männer starrten sich an, während sie leise miteinander redeten. Grayson näherte sich immer weiter, rückte Flair auf die Pelle. Der wich keinen Millimeter zurück.
    Portnoi trat ein paar Schritte auf die beiden zu. »Mr. Grayson?«
    Der Abstand zwischen ihren Gesichtern betrug vielleicht gerade mal zehn Zentimeter. Grayson wandte Portnoi den Kopf zu und starrte ihn an.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Portnoi.
    »Wunderbar«, sagte Grayson.
    »Mr. Hickory?«
    »Alles bestens, Herr Staatsanwalt. Nur ein Gespräch unter Freunden.«
    Grayson sah Wendy an, und wieder gefiel es ihr nicht, was sie in diesem Blick sah. Hickory sagte: »Tja, wenn wir das damit also geklärt hätten, Mr. Grayson …?«
    Grayson antwortete nicht. Hickory drehte sich um und ging. Grayson kam auf Portnoi und Wendy zu.
    »Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte Portnoi.
    »Nein.«

    »Darf ich fragen, worüber Sie mit Mr. Hickory gesprochen haben?«
    »Natürlich dürfen Sie das fragen.« Grayson sah Wendy an. »Glauben Sie, dass die Richterin Ihnen Ihr Märchen abgenommen hat, Ms. Tynes?«
    »Das war kein Märchen«, sagte sie.
    »Aber es war auch nicht die ganze Wahrheit, oder?« Ed Grayson drehte sich um und ging.
    »Was um alles in der Welt war das denn?«, fragte Wendy.
    »Keine Ahnung«, sagte Portnoi. »Aber machen Sie sich keine Sorgen über ihn. Und über Flair auch nicht. Er ist gut, aber diese Runde wird nicht an ihn gehen. Fahren Sie nach Hause, und genehmigen Sie sich einen Drink, das wird schon.«
    Wendy fuhr nicht nach Hause. Sie fuhr in ihr Fernsehstudio nach Secaucus, New Jersey, von dem sie den Meadowlands Sports Complex überblicken konnte. Der Ausblick war weder hübsch noch beruhigend. Sie sah auf sumpfiges Marschgebiet hinab, das unter dem Gewicht der massigen Bauwerke ächzte. Sie checkte ihre E-Mails und sah, dass sie eine Mail von ihrem Boss Vic Garrett bekommen hatte. Es war vermutlich die längste Nachricht, die Vic je per E-Mail geschickt hatte: »KOMM SOFORT RÜBER.«
    Es war halb vier. Ihr Sohn Charlie, der auf die Kasselton High School ging, würde inzwischen zu Hause sein. Sie rief trotzdem auf dem Handy an, weil er nie ans Festnetztelefon ging. Nach dem vierten Klingeln meldete er sich mit der üblichen Begrüßungsformel: »Was?«
    »Bist du zu Hause?«, fragte sie ihren Sohn.
    »Yep.«
    »Was machst du gerade?«
    »Nichts.«
    »Hast du Hausaufgaben?«

    »Ein paar.«
    »Hast du sie schon gemacht?«
    »Gleich.«
    »Warum nicht jetzt?«
    »Ist nicht viel. Dafür brauch ich höchstens zehn Minuten.«
    »Darum geht’s ja. Wenn es sowieso nicht viel ist, mach sie einfach, dann hast du es hinter dir.«
    »Mach ich später.«
    »Und was machst du jetzt?«
    »Nichts.«
    »Warum wartest du dann noch? Warum machst du die Hausaufgaben nicht sofort?«
    Jeden Tag das gleiche Gespräch. Schließlich sagte Charlie, dass er sich »gleich« an die Arbeit machen würde, was die Kurzform war für: Wenn ich gleich sage, hörst du vielleicht auf, mich zu nerven.
    »Ich komme wohl so gegen sieben nach Haus«, sagte Wendy. »Soll ich was vom Chinesen mitbringen?«
    »Von Bamboo House«, sagte er.
    »Okay. Denk dran, Jersey heute Nachmittag was zum Fressen hinzustellen.«
    Jersey war ihre Katze.
    »Okay.«
    »Vergiss das nicht.«
    »Mhm.«
    »Und mach deine Hausaufgaben.«
    »Tschüss.«
    Klick.
    Sie atmete tief durch. Charlie war jetzt siebzehn, im letzten Highschool-Jahr und eine absolute Nervensäge. Die aufreibende Suche nach der richtigen Universität - eine vorstädtische Aktivität, in deren Rahmen Eltern Skrupellosigkeiten
begingen, die Dritte-Welt-Despoten die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte - war mit der Zusage vom Franklin & Marshall College in Lancaster, Pennsylvania, beendet worden. Wie alle Teenager reagierte Charlie mit Angst und Nervosität auf diese gewaltige Veränderung in seinem Leben - allerdings längst nicht so ängstlich und nervös wie seine Mutter. Charlie, ihr wunderbarer, trübsinniger, unerträglicher Sohn, war ihr Ein und Alles. Die beiden waren jetzt seit neun Jahren auf sich gestellt, die alleinerziehende Mutter und das Einzelkind gemeinsam in der Welt des großen, weißen Suburbia. Wie immer, wenn Kinder im Spiel waren, flogen die Jahre nur so dahin. Wendy wollte Charlie nicht gehen lassen. Jeden Abend sah sie ihn an, erblickte in ihm eine fast nervenzerreißende Perfektion und wünschte sich wie jeden Tag, seit er vier Jahre alt war,

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