In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
wurde weiter über dieses Thema berichtet, wenn nicht, suchte sich der Sender ein neues, schönes und noch richtig glänzendes Spielzeug, um das rastlose Auge der Zuschauer auf sich zu ziehen.
»Soll ich mit ihr reden?«, fragte Wendy.
»Nein, nein, ich mach das schon. Dafür geben sie mir ja schließlich richtig dick Kohle.«
Vic schickte Wendy weg, und sie ging den Flur hinab. Als sie sich umdrehte, stand Marcia McWaid vor Vics Tür. Wendy kannte Marcia nicht näher, war ihr aber im Ort ein paarmal an den üblichen Orten wie bei Starbucks, vor der Schule beim
Abholen der Kinder oder in der Videothek begegnet. Laut dem vorherrschenden Klischee hätte die flott wirkende Mutter, die scheinbar immer ein Kind bei sich hatte, jetzt zehn Jahre älter aussehen müssen. Doch das tat sie nicht. Marcia war immer noch eine recht attraktive Frau und sah nicht älter aus, als sie war, aber es wirkte, als ob jede ihrer Bewegungen sich etwas verlangsamt hätte, als ob selbst die Muskeln, die für das Mienenspiel verantwortlich waren, mit Sirup umhüllt wären. Marcia McWaid drehte sich um und sah Wendy an. Wendy nickte und lächelte kurz. Marcia wandte sich wieder ab und trat in Vics Büro.
Wendy ging zurück in ihr Büro und griff nach dem Telefon. Sie dachte an Marcia McWaid, die perfekte Mutter mit dem netten Ehemann und der tollen Familie, und wie schnell und einfach ihr das abhandengekommen war - wie schnell und einfach jedem so etwas abhandenkommen konnte. Sie wählte Charlies Nummer.
»Was?«
Der ungeduldige Tonfall tröstete sie doch tatsächlich. »Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?«
»Mach ich sofort.«
»Okay«, sagte Wendy. »Soll ich dir heute Abend immer noch was vom Bamboo House mitbringen?«
»Hatten wir das nicht schon geklärt?«
Sie legten auf. Wendy lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. Sie reckte den Hals und blickte aus dem Fenster mit der potthässlichen Aussicht. Wieder klingelte ihr Telefon.
»Hallo?«
»Wendy Tynes?«
Als sie die Stimme hörte, knallten ihre Füße zurück auf den Boden. »Ja?«
»Hier spricht Dan Mercer. Ich muss mit Ihnen reden.«
DREI
I m ersten Moment sagte Wendy gar nichts.
»Ich muss mit Ihnen reden«, wiederholte Dan Mercer.
»Bin ich nicht ein bisschen reif für Sie, Dan? Wissen Sie, ich bekomme schon meine Tage und habe einen richtigen Busen.«
Sie glaubte, ein Seufzen zu hören.
»Sie sind sehr zynisch, Wendy.«
»Was wollen Sie?«
»Sie müssen über ein paar Dinge Bescheid wissen«, sagte er.
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, dass hier nichts so ist, wie es aussieht.«
»Sie meinen, dass Sie ein irrer, kranker, heruntergekommener Perverser mit einem genialen Anwalt sind? So sieht es nämlich aus«, sagte sie.
Aber noch während sie das sagte, zögerte sie einen kleinen Moment. War dieses Zögern schon ein berechtigter Zweifel? Sie glaubte nicht. Beweismaterialien logen nicht. Das hatte sie oft genug erfahren, sowohl privat als auch beruflich. Sie wusste, dass ihre sogenannte weibliche Intuition normalerweise vollkommener Mist war.
»Wendy?«
Sie antwortete nicht.
»Man hat mich reingelegt.«
»Mhm. Die Ausrede höre ich übrigens zum ersten Mal, Dan. Ich notier das eben, geh zu meinem Produzenten, damit wir
dann ein Laufband einblenden können: ›Aktuell: Perversling sagt: Ich wurde reingelegt.‹«
Schweigen. Einen Moment lang fürchtete sie, er hätte aufgelegt. Es war dumm von ihr, so emotional zu reagieren. Bleib ruhig. Rede mit ihm. Schließ Freundschaft. Sei nett. Sammel Informationen. Vielleicht kannst du ihn in die Falle locken?
»Dan?«
»Es war ein Fehler anzurufen.«
»Ich höre zu. Sie haben gesagt, man hätte Sie reingelegt?«
»Ich verzieh mich lieber wieder.«
Sie wollte widersprechen, schimpfte innerlich, dass sie den Sarkasmus zu sehr auf die Spitze getrieben hatte, aber irgendwie kam ihr das wie eine klassische Manipulation vor. Sie hatte seine Tänzchen schon früher mitgemacht, mehrfach sogar, angefangen im letzten Jahr, als sie ihn zum ersten Mal über seine Arbeit mit obdachlosen Jugendlichen im Jugendzentrum interviewen wollte, fast ein Jahr bevor sie ihn mit der Kamera auf frischer Tat ertappt hatten. Sie wollte nicht klein beigeben, andererseits wollte sie das Gespräch fortsetzen.
» Sie haben mich angerufen«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Ich bin also bereit zuzuhören.«
»Treffen Sie sich mit mir. Allein.«
»So richtig begeistert bin ich nicht von der Idee.«
»Dann
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