In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
durch die er gefahren ist, gibt es reichlich Wald und Brachland.«
»Und Sie bekommen nicht so viele Leute, dass Sie das alles absuchen können.«
»Nein, es geht hier, wie gesagt, nicht um ein vermisstes Mädchen. Es geht um die Leiche eines Pädophilen. Und wenn Grayson das Ganze wirklich so gut geplant hat - und bisher sieht es ganz danach aus -, hatte er womöglich schon ein Loch ausgehoben, bevor er Mercer umgebracht hat. Gut möglich, dass wir die Leiche nie finden.«
Wendy sah zur Seite und schüttelte den Kopf.
»Was ist?«
»Ich war sein Lockvogel. Grayson hat versucht, mich auf
seine Seite zu ziehen. Als er das nicht geschafft hat, ist er mir einfach gefolgt - und ich habe ihn direkt zu Mercer geführt.«
»Das war nicht Ihre Schuld.«
»Das ist mir dabei völlig egal. Ich lasse mich einfach nicht gerne so benutzen.«
Walker sagte nichts.
»Das ist ein beschissenes Ende«, sagte Wendy.
»Manche Leute würden es wohl eher als saubere Lösung bezeichnen.«
»Wieso?«
»Der Pädophile entkommt zwar dem Arm des Gesetzes, nicht aber der Gerechtigkeit. Das hat fast schon etwas Biblisches, wenn man darüber nachdenkt.«
Wendy schüttelte den Kopf. »Es fühlt sich nicht richtig an.«
»Was davon?«
Sie behielt es für sich. Die Antwort lautete jedoch: Alles. Vielleicht hatte Mercers Exfrau tatsächlich irgendwie Recht. Vielleicht hatte die ganze Geschichte von Anfang an zum Himmel gestunken. Vielleicht hätte sie doch von vorneherein auf ihre weibliche Intuition oder ihr Bauchgefühl oder wie immer man das auch nannte hören sollen.
Plötzlich kam es ihr vor, als hätte sie geholfen, einen unschuldigen Mann zu töten.
»Finden Sie ihn einfach«, sagte Wendy. »Ganz egal, was er auch war, das sind Sie ihm schuldig.«
»Ich versuch’s. Aber Ihnen muss klar sein, dass der Fall nie oberste Priorität haben wird.«
ZEHN
L eider lag Walker mit dieser Einschätzung absolut daneben. Wendy erfuhr erst am nächsten Tag von der schrecklichen Entdeckung, als schon alle Medien Eilmeldungen eingeblendet hatten oder sogar in Sondersendungen darüber berichtet hatten. Weil Pops und Charlie noch schliefen und ihr Jennas Bemerkung über Princeton nicht aus dem Kopf ging, hatte Wendy beschlossen, eigene Ermittlungen aufzunehmen. Erster Halt: Phil Turnball, ein Mitbewohner Dan Mercers von der Uni. Es war an der Zeit, dachte sie, Dan Mercers Vergangenheit einmal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Und Phil Turnball schien der beste Ausgangspunkt zu sein.
Aber genau zu dem Zeitpunkt, als Wendy den Starbucks Coffee Shop in Englewood, New Jersey, betrat, durchsuchten Mickey Walker, der Sheriff von Sussex County, und sein jüngster Hilfssheriff, Tom Stanton, im vierzig Kilometer entfernten Newark das Zimmer 204 in den recht eigenwillig benannten Freddy’s Deluxe Luxury Suites. Ein absolutes Rattenloch. Freddy musste wirklich viel Humor gehabt haben, dachte Walker, denn sein Motel bot gar nichts der im Namen genannten Dinge. Weder konnte man irgendetwas darin als »Deluxe« bezeichnen, noch gab es irgendeine Form von Luxus oder auch nur Suiten.
Walker war damit beschäftigt herauszubekommen, wo Dan Mercer sich in den letzten beiden Wochen seines Lebens aufgehalten hatte. Es gab nur sehr wenige Hinweise. So hatte Dan
Mercer von seinem Handy aus mit gerade einmal drei Leuten telefoniert: mit seinem Anwalt, Flair Hickory, seiner Exfrau Jenna Wheeler und gestern mit der Reporterin Wendy Tynes. Flair hatte seinen Mandanten nie gefragt, wo er war - je weniger er darüber wusste, desto besser. Jenna wusste es auch nicht. Wendy, na ja, die hatte bis gestern keinen Kontakt zu ihm gehabt.
Trotzdem war es nicht sehr schwer, seiner Spur zu folgen. Dan Mercer war zwar abgetaucht, hatte sich aber, laut Auskunft sowohl seines Anwalts als auch seiner Exfrau, nur vor den Drohungen übermäßig »besorgter« Bürger und Quasi-Bürgerwehren versteckt und nicht vor den Ermittlungsbehörden. Die Leute duldeten es nicht, wenn sich ein Raubtier in ihrer Nachbarschaft einnistete. Also war er von einem Hotel ins nächste gezogen und hatte immer mit Bargeld bezahlt, das er sich aus einem nahegelegenen Geldautomaten gezogen hatte. Aufgrund des möglichen Prozesses hatte Mercer New Jersey nicht verlassen dürfen.
Vor sechzehn Tagen hatte er in einem Motel 6 in Wildwood eingecheckt. Dann war er drei Tage im Court Manor Inn in Fort Lee gewesen, darauf im Fair Motel in Ramsey und gestern war er ins Zimmer 204 von Freddy’s Deluxe Luxury
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