In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
Dakota Building am Central Park West. Wie sich herausstellte, war Win freundlich, aufmerksam, witzig und fantastisch, und als sie am nächsten Morgen nach Hause gekommen war, hatte sie sich erst einmal zwei Stunden lang die Augen aus dem Kopf geheult.
Ihr Handy klingelte. Wendy sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf. Win hatte keine Minute gebraucht.
»Hallo?«
»Phil Turnball wurde wegen der Unterschlagung von zwei Millionen Dollar gefeuert. Einen angenehmen Tag noch.«
Klick.
Win.
Ihr fiel etwas ein. Das Blend, oder? Da sollte doch der Auftritt sein. Sie war einmal zu einem Konzert dort gewesen. Es war in Ridgewood. Sie suchte sich die Website und klickte auf Programm . Yep, heute war der Open-Mike-Abend. Es gab sogar den Zusatz: »Gaststar heute: die neue Rap-Sensation Ten-A-Fly.«
Es klopfte an der Tür. Sie rief: »Herein«, und Pops steckte seinen Kopf ins Zimmer. »Alles okay bei dir?«, fragte er.
»Klar. Magst du Rap?«
Pops runzelte die Stirn. »Meinst du diese runden, aufgewickelten Sandwichs?«
»Äh, nein. Nicht Wraps. Rap, die Musik.«
»Da würde ich lieber einer gewürgten Katze beim Schleim raushusten zuhören.«
»Na, dann komm mit heute Abend. Wird langsam Zeit, dass wir deinen Horizont mal ein bisschen erweitern.«
Ted McWaid beobachtete seinen Sohn auf dem Lacrosse-Feld der Kasselton High School. Die Sonne war schon untergegangen, aber der Platz, der irgendeinen neumodischen Kunststoffbelag hatte, war mit einer hochwertigen Flutlichtanlage ausgestattet. Ted war zum Lacrosse-Spiel seines neunjährigen Sohns gegangen, weil, na ja, was hätte er sonst tun sollen? Zu Hause herumhängen und den ganzen Tag weinen? Seine ehemaligen Freunde - »ehemaligen« war vielleicht etwas polemisch, aber
Ted hatte keine Lust, sich großzügig zu geben - nickten ihm freundlich zu, mieden aber jeden Augenkontakt und machten einen großen Bogen um ihn, als ob es irgendwie ansteckend wäre, eine vermisste Tochter zu haben.
Ryan war in der Schulmannschaft des dritten Jahrgangs. Die Fähigkeiten der Spieler im Umgang mit dem Stick lagen, um es freundlich auszudrücken, irgendwo zwischen »ausbaufähig« und »nicht vorhanden«. Der Ball verbrachte die meiste Zeit auf dem Boden, weil keiner der Jungs in der Lage war, ihn lange in der Pocket des Sticks zu halten, so dass das Spiel eher an ein Eishockeyspiel mit einem Rugby-Gedränge erinnerte. Außerdem wirkten die Helme viel zu groß auf den Köpfen der Jungs, fast wie bei Galaxius vom Saxilus aus Familie Feuerstein , und so war es fast unmöglich festzustellen, wer da wer war. Ted hatte seinen Sohn einmal ein ganzes Spiel lang angefeuert und sich über dessen Fortschritte gefreut, bis der Junge seinen Helm abgenommen hatte und Ted feststellen musste, dass es gar nicht Ryan war.
Als er so etwas abseits von den anderen Eltern stand und an diesen Tag dachte, hätte Ted fast angefangen zu lächeln. Dann drängte sich die Realität wieder mit Macht in den Vordergrund und nahm ihm den Atem. So ging das immer. Manchmal konnte er für einen kurzen Moment in eine Art Normalität gleiten - aber immer, wenn er das tat, bezahlte er hinterher dafür.
Er dachte an Haley - die zur Eröffnung des Platzes hier gespielt hatte - und die vielen Stunden, die sie daran gearbeitet hatte, ihre linke Hand zu verbessern. In der hinteren Platzecke stand ein Lacrosse-Rebounder, und Haley war immer wieder dort gewesen, um mit der linken Hand zu üben - sie war überzeugt, dass die Talentscouts ganz genau auf ihre Linke achten würden, die verdammte Linke war ihr Schwachpunkt, und wenn sie den Stick nicht locker in die Linke wechseln könnte,
würde die University of Virginia sie nie nehmen. Und nicht nur hier auf dem Platz hatte sie ununterbrochen an ihrer Linken gearbeitet, sondern auch im Alltag. Hatte viele Dinge mit links gemacht statt mit rechts, sich die Zähne geputzt, Notizen geschrieben und so weiter. Viele andere Eltern im Ort trieben ihre Kids ununterbrochen an, verlangten ihnen Tag und Nacht bessere Zensuren oder größere sportliche Leistungen ab - immer in der Hoffnung, dass sie dann womöglich auf eine der vermeintlich begehrenswerteren Elite-Universitäten kamen. Bei Haley war das gar nicht nötig. Sie hatte sich selbst angetrieben. Vielleicht zu sehr? Möglich. Am Ende hatte die University of Virginia sie nicht genommen. Ihre Linke war zwar verdammt gut geworden, sie war auch sehr schnell für ein Highschool-Team und vielleicht für eine Uni-Mannschaft in
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