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In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught

Titel: In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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einer niedrigeren Spielklasse. Aber nicht schnell genug für die University of Virginia. Haley war am Boden zerstört gewesen. Untröstlich. Wieso? Wen interessierte das eigentlich? Welchen Unterschied machte das auf lange Sicht?
    Er vermisste sie so wahnsinnig.
    Nicht das hier - nein, nicht, dass er ihr nicht mehr beim Lacrosse-Spielen zuschauen konnte. Er vermisste sie, weil er nicht mit ihr Fernsehen gucken konnte und weil sie ihm ihre Musik nicht mehr vorspielte, damit er sie endlich »checkte«. Er vermisste die YouTube-Videos, die sie witzig fand und ihm unbedingt zeigen wollte. Er vermisste es, mit ihr herumzualbern - ihr seinen besten »Moonwalk« vorzumachen, während Haley die Augen verdrehte, oder absichtlich übertrieben mit Marcia herumzuknutschen, bis eine beschämte Haley die Stirn runzelte und rief: »Halloooo, Schluss jetzt, das ist ja voll eklig, ey, hier sind Kinder anwesend!«
    Ted und Marcia hatten sich seit drei Monaten nicht angerührt - in diesem Punkt bestand ein unausgesprochener,
aber eindeutiger Konsens. Haleys Verschwinden war einfach wie eine offene Wunde. Und das Fehlen körperlicher Nähe führte nicht wirklich zu Spannungen. Zwar spürte er eine größere Distanz zwischen ihnen, aber es schien einfach nicht so wichtig zu sein, etwas dagegen zu tun, zumindest im Moment nicht.
    Die Unwissenheit. Die lastete auf ihnen. Man suchte nach einer Antwort, irgendeiner Antwort, und dadurch fühlte man sich noch schuldiger und furchtbarer. Die Schuld nagte an ihm, hielt ihn jede Nacht wach. Ted konnte ja noch nicht einmal gut streiten. Sein Herz fing sofort an zu rasen. Eine Auseinandersetzung mit einem Nachbarn über den Verlauf der Grundstücksgrenzen hatte ihm letztes Jahr wochenlang den Schlaf geraubt. Immer wieder war er aufgestanden, hatte sich alles durch den Kopf gehen lassen und war ins Grübeln geraten.
    Es war seine Schuld.
    Männerregel Nummer eins: Deine Tochter ist in deinem Haus in Sicherheit. Du kümmerst dich um deine Familie. Wie immer man diese ganze Horrorgeschichte auch drehte und wendete, eins war Fakt: Ted hatte seine Aufgabe nicht erfüllt. War jemand eingebrochen und hatte seine Haley entführt? Tja, das ginge dann ja wohl auf jeden Fall auf ihn, oder? Ein Vater beschützte seine Familie. Das war das Wichtigste. Und falls Haley das Haus in der Nacht von sich aus verlassen hatte, irgendwie heimlich herausgeschlichen war? Das ging dann auch auf ihn. Schließlich war er nicht der Vater gewesen, an den sich seine Tochter wenden konnte, um ihm zu erzählen, was in ihrem Leben passierte oder auch schieflief.
    Die Grübeleien nahmen kein Ende. Wie gerne wäre er in die Vergangenheit zurückgekehrt, hätte ein paar Dinge geändert, die universelle Zeitstruktur verschoben oder so etwas. Haley war immer das starke, unabhängige und kompetente Kind
gewesen. Mit Staunen hatte er wahrgenommen, was sie alles konnte. Da kam sie eindeutig auf ihre Mutter. Hatte auch das eine Rolle gespielt? Hatte er gedacht, na ja, um Haley muss ich mich nicht so intensiv kümmern, auf die muss ich nicht so sehr achten wie auf Patricia und Ryan?
    Ewige, nutzlose Grübeleien.
    Er neigte nicht zu Niedergeschlagenheit, ganz und gar nicht, aber es gab Tage, dunkle, öde Tage, an denen Ted daran dachte, wo sein Dad die Pistole versteckt hatte. Jetzt stellte er sich die ganze Szene vor - wie er sicherging, dass niemand zu Hause war, das Haus betrat, in dem er aufgewachsen war und in dem seine Eltern noch immer wohnten, den Schuhkarton oben vom Schrank herunterholte, die Pistole herausnahm und damit in den Keller hinunterging, in dem er in der siebten Klasse mit Amy Stein zum ersten Mal herumgemacht hatte, wie er sich dort im Wäscheraum, der einen leicht zu reinigenden Estrichboden hatte, auf den Boden setzte, den Rücken an die alte Waschmaschine lehnte, die Pistole in den Mund steckte - und der Schmerz hätte ein Ende.
    Ted würde das niemals tun. Er würde das Leid seiner Familie nicht noch auf diese Art vergrößern. So etwas tat ein Vater nicht. Er ertrug seinen Schmerz. Aber in den angsteinflößenden Momenten, in denen er ehrlich zu sich war, fragte er sich, was es bedeutete, dass die Gedanken an diese Erlösung, an dieses Ende, ihm so verdammt verlockend vorkamen.
    Ryan war eingewechselt worden. Ted versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, auf das Gesicht seines Jungen hinter dem Schutzgitter mit dem vom Mundschutz verzerrten Lippen. Er versuchte, ein bisschen Freude an diesem ziemlich kindlichen

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