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In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught

Titel: In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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auffielen, dann allenfalls durch etwas Unangenehmes. Aber die meisten überlebten. Sie waren Eitergeschwüre der Gesellschaft. Trotzdem erlaubte Gott ihnen zu überleben, manchmal sogar bis ins hohe Alter.
    Und dann, weil Gott ein verdammter Chaot war, hatte er stattdessen Franks Tochter genommen.
    Eine Menschenmenge sammelte sich hinter dem gelben Absperrband, allerdings keine sehr große. Die Leute guckten einmal kurz, was da los war, dann gingen sie weiter.
    »Bist du fertig, Frank?«
    Das war die Gerichtsmedizinerin. Frank nickte. »Sie gehört dir.«
    Kasey, sein kleines Mädchen. Siebzehn Jahre alt. So süß, klug und liebevoll. Es gab diese alte Redewendung über ein Lächeln, das in der Lage war, ein ganzes Zimmer zu erleuchten. Kasey hatte so ein Lächeln. Wamm , ein Strahl, der jede Dunkelheit sofort vertrieb. Sie hatte nie irgendjemandem auch nur den Hauch eines Problems bereitet oder gar weh getan. Ihr ganzes Leben nicht. Kasey hatte nie Drogen genommen, war nicht auf den Strich gegangen und hatte sich auch nicht schwängern lassen. Diese Junkies und Huren streiften herum wie wilde Tiere - und Kasey musste sterben.
    Das Wort unfair beschrieb es nicht einmal ansatzweise.
    Kasey war sechzehn, als bei ihr ein Ewing-Sarkom diagnostiziert wurde. Knochenkrebs. Der Tumor hatte sich in ihrem Becken gebildet und breitete sich immer weiter aus. Sein kleines Mädchen starb unter unerträglichen Schmerzen, und Frank musste es mit ansehen. Mit trockenen Augen hatte er neben ihr am Bett gesessen, hatte sich fest an ihre zerbrechliche Hand und seine geistige Gesundheit geklammert. Er hatte die Narben der vielen Operationen gesehen und auch die tief eingesunkenen Augen der langsam Dahinsiechenden. Er hatte gespürt,
wie ihre Körpertemperatur vom Fieber in die Höhe schnellte. Früher, als kleines Kind, hatte Kasey oft böse Träume gehabt und war zitternd zu Maria und ihm ins Bett gekrochen, wo sie dann im Schlaf gesprochen, sich häufig gedreht oder herumgeworfen hatte. Das hörte in dem Moment auf, als die Krankheit diagnostiziert wurde. Vielleicht waren ihre nächtlichen Albträume geflohen vor den Schreckens des Tages. Auf jeden Fall hatte Kasey dann ruhiger geschlafen, wobei er im Nachhinein den Gedanken nicht loswurde, dass sie während dieser Nächte schon für den Tod probte.
    Er hatte gebetet, aber das war nutzlos gewesen, fühlte sich zumindest so an. Schließlich wusste Gott, was er tat. Er hatte doch einen Plan, oder etwa nicht? Wenn man wirklich an ihn glaubte, dann glaubte man doch an ein allwissendes, allmächtiges Wesen - und erwartete wirklich irgendjemand, dass er dieses Wesen, diesen Gott mit jämmerlichem Flehen und Beten von seinem großen Plan abbringen konnte? So lief das nicht, das war Tremont klar. Im Krankenhaus hatte er eine andere Familie kennengelernt, die für ihren Sohn gebetet hatte. Die gleiche Krankheit. Der Sohn war trotzdem gestorben. Ihr zweiter Sohn war in den Irak gegangen und da gefallen. Wie man so etwas hören und dennoch an die Macht von Gebeten glauben konnte, das war ihm einfach zu hoch.
    Derweil waren die Straßen da draußen übersät mit den Nutzlosen. Sie lebten - und Kasey war gestorben. Ja, Mädchen mit Familie, Mädchen wie Haley McWaid und Kasey Tremont, Mädchen, die von ihren Angehörigen geliebt wurden und ihr Leben noch vor sich hatten, ein richtiges Leben, ein Leben, das mehr hervorbrachte als solchen Schrott, waren einfach wichtiger. Das war die Wahrheit. Nur dass niemand sich traute, es auszusprechen. Diese rückgratlosen Heuchler erzählten einem, dass man sich bei einer toten Hure in ihrem schäbigen Fummel
ebenso viel Mühe geben musste wie für eine Haley McWaid oder eine Kasey Tremont. Zwar wussten alle, dass das kompletter Schwachsinn war, aber erzählt wurde es trotzdem. Man ging mit einer Lüge hausieren, obwohl alle die Wahrheit kannten.
    Mit diesem Unsinn sollte Schluss sein. Über die tote Hure würde vielleicht in zwei Absätzen auf der zwölften Seite des Star-Ledgers berichtet werden. Eine kurze Meldung, über die die Leser missbilligend den Kopf schütteln konnten. Über Haley McWaids Verschwinden war landesweit in sämtlichen Nachrichtensendungen berichtet worden. Offenbar wussten also alle Bescheid, oder? Warum durfte man es dann nicht aussprechen?
    Die Haley McWaids dieser Welt waren wichtiger.
    Deswegen war die tote Hure ja nicht unwichtig. Aber Haley war wichtiger. Und das hatte nichts mit der Rasse, der Hautfarbe oder einem dieser

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