In seinen Händen - Coben, H: In seinen Händen - Caught
»Darum geht es doch überhaupt nicht.«
»Unglücklicherweise, Frank, geht es genau darum. Sie präsentieren uns das Ergebnis eines Bluttests und behaupten, das wäre ein großer Durchbruch. Sie holen uns mitten in der Nacht aus dem Bett hierher, weil Sie davon angeblich so beeindruckt sind. Ich sage Ihnen, Ihre sogenannten Beweise - und ich überspringe den Teil, in dem ich Ihre Leute von der Spurensicherung und die Handlungsabfolge in der Luft zerreiße, wenn Sie das hören möchten, kann Walker Ihnen ja das Band
von unserem ersten Tête-à-Tête vorspielen - belegen absolut gar nichts und sind so leicht erklärbar, dass nichts mehr davon übrig bleibt.«
Hester sah Walker an. »Ich will hier wirklich keine kühnen Drohungen aussprechen, aber muss dieser idiotische Bluttest wirklich dafür herhalten, um meinen Mandanten zu Unrecht wegen Mordes zu verhaften?«
»Nicht wegen Mordes«, sagte Tremont.
Hester wich etwas zurück. »Nicht?«
»Nein. Nicht wegen Mordes. Ich dachte da eher an Begünstigung einer Straftat.«
Hester sah Ed Grayson an. Er zuckte die Achseln. Sie wandte sich wieder Tremont zu. »Tun wir so, als hätte ich nach Luft geschnappt, wäre sofort darauf angesprungen und hätte gefragt, was Sie denn in diesem Fall unter Begünstigung verstehen.«
»Wir haben Dan Mercers Motelzimmer durchsucht«, sagte Frank Tremont. »Dies haben wir dabei gefunden.«
Er schob ein zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großes Foto zu ihnen hinüber. Hester sah es an - ein rosa iPhone. Sie zeigte es Ed Grayson und legte ihm dabei die Hand auf den Unterarm, als wollte sie ihn ermahnen, keine Reaktion zu zeigen. Hester sagte nichts. Grayson auch nicht. Hester hatte ein paar grundlegende Dinge gelernt. Es gab Momente, in denen man angreifen musste, und Momente, in denen Schweigen gefordert war. Sie neigte gelegentlich dazu, welch Überraschung, zu oft anzugreifen - und dadurch auch zu viel zu reden. Aber die beiden Cops warteten offensichtlich auf eine Reaktion. Irgendeine Reaktion. Die würden sie nicht bekommen. Sie würde es einfach aussitzen.
Eine Minute verging, dann sagte Frank Tremont: »Dieses Handy wurde unter Mercers Bett in seinem Motelzimmer in Newark gefunden. Hier ganz in der Nähe.«
Hester und Grayson schwiegen.
»Es gehört einem vermissten Mädchen namens Haley McWaid.«
Ed Grayson, Federal Marshal im Ruhestand, der es besser hätte wissen müssen, stöhnte laut auf. Hester sah ihn an. Die Farbe wich aus Graysons Gesicht, als hätte jemand einen Stöpsel gezogen und das Blut herauslaufen lassen. Erneut packte Hester ihn am Arm, damit er sich wieder fing.
Hester versuchte, Zeit zu gewinnen. »Sie glauben doch wohl nicht, dass mein Mandant …«
»Wissen Sie, was ich glaube, Hester?«, unterbrach Frank Tremont sie. Er hatte wieder Selbstvertrauen gewonnen, seine Stimme klang entschieden. »Ich glaube, Ihr Mandant hat Dan Mercer umgebracht, weil Mercer mit dem davongekommen ist, was er dem Sohn Ihres Mandanten angetan hat. Das glaube ich. Ich glaube, Ihr Mandant hat beschlossen, das Recht in seine eigenen Hände zu nehmen - und irgendwo kann ich ihm das gar nicht verdenken. Wenn jemand meinem Kind so etwas antun würde, dann würde ich ihn auch nicht einfach so davonkommen lassen. Bei Gott nicht. Und hinterher würde ich mir den besten Anwalt nehmen, den ich finden kann. Es ist nämlich tatsächlich so, dass das Opfer in diesem Fall so verhasst ist - ein solcher Drecksack -, dass man ihn im voll besetzten Giants Stadium erschießen könnte und dafür nicht verurteilt werden würde.«
Er starrte Hester an. Die verschränkte die Arme und wartete.
»Aber es gibt ein Problem, wenn man das Recht in die eigenen Hände nimmt. Man weiß nicht, wohin das führt. Und jetzt - ach, und das ist ja alles rein hypothetisch, was wir hier sagen, oder? - hat Ihr Mandant die einzige Person ermordet, die uns vielleicht erzählen könnte, was mit dem siebzehnjährigen Mädchen passiert ist.«
»O Gott«, sagte Grayson. Er senkte den Kopf und legte das Gesicht in beide Hände.
Hester sagte: »Ich möchte kurz allein mit meinem Mandanten reden.«
»Warum?«
»Machen Sie einfach, dass Sie rauskommen.« Dann überlegte sie es sich anders, beugte sich vor und flüsterte Grayson ins Ohr: »Weißt du irgendetwas darüber?«
Grayson lehnte sich zur Seite und sah sie schockiert an. »Natürlich nicht.«
Hester nickte. »Okay.«
»Hören Sie, wir glauben nicht, dass Ihr Mandant Haley McWaid etwas getan hat«, fuhr
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