Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
zurücklehnen.

    Mittlerweile funktionierte mein Mund wieder, so dass es mir gelang, relativ gefasst über meine Flucht zu berichten
    – wenn man das überhaupt so nennen konnte.
    Ben wirkte ehrlich überrascht. »Um Gottes willen!«, sagte er. »Du bist hinten zum Fenster raus?«
    »Ich hielt es nicht für ratsam, die Tür aufzumachen und ihn zum Tee einzuladen.«
    »Und du bist ganz sicher, dass er es war?«
    »Ich habe hin und her überlegt, welche andere Erklärung es geben könnte. Wenn dir etwas Plausibles einfällt, wäre ich dir ungemein dankbar.«
    »Schade, dass du keinen Blick auf ihn werfen konntest.«
    »Jos Wohnungstür hat keinen Spion. Außerdem wäre mir vor Angst beinahe das Herz stehen geblieben. Ich muss gestehen, dass sich ein Teil von mir am liebsten hingelegt und darauf gewartet hätte, bis er kommen und mir den Garaus machen würde, damit das alles endlich vorbei wäre.«
    Ben griff nach einem zweiten Waschlappen und legte ihn auf sein Gesicht. Unter dem dicken Frotteestoff drang leises Gemurmel hervor.
    »Tut mir Leid«, sagte ich.
    Er zog den Waschlappen weg. »Was tut dir Leid?«, fragte er.
    »Das alles. Es ist schon für mich allein schlimm genug, aber daran lässt sich nun mal nichts ändern. Mir tut es so Leid, dass du dich jetzt auch noch damit herumschlagen musst. Vielleicht haben wir uns einfach zum falschen Zeitpunkt kennen gelernt.«
    »Du musst dich deswegen nicht entschuldigen.«
    »O doch, das muss ich. Außerdem entschuldige ich mich schon im Voraus.«

    »Wie meinst du das?«
    »Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
    »Na, dann schieß los!«
    »Ich wollte dich bitten, für mich in Jos Wohnung zu gehen und meine Sachen zu holen.« Ben war anzusehen, dass er von dieser Idee nicht gerade begeistert war. Rasch schob ich eine hektische Erklärung nach: »Du verstehst bestimmt, dass ich selbst nicht mehr dorthin kann. Ich darf auf keinen Fall in die Wohnung zurückkehren. Er könnte mich beobachten. Aber dir wird nichts passieren. Er hat es nur auf mich abgesehen. Wenn er dich kommen sieht, denkt er höchstens, dass er sich in der Wohnung geirrt hat.«
    »Verstehe«, sagte Ben, noch weniger begeistert als zuvor.
    »Ja, klar, ich mache es.«
    Die Atmosphäre hatte sich verändert. Ein Weile schwiegen wir beide.
    »Bist du jetzt genervt?«, fragte ich schließlich, um das Schweigen zu brechen.
    »Ich hatte eigentlich andere Pläne«, antwortete er.
    »Ich weiß, ich weiß, für dich wäre es viel leichter gewesen, wenn du eine halbwegs normale Person kennen gelernt hättest. Nicht mit dieser blöden Geschichte.«
    »Das habe ich damit nicht gemeint. Ich habe von uns beiden hier in diesem Bad gesprochen, jetzt in diesem Moment. Ich hatte eigentlich vor, dir zu helfen, dich zu waschen. Ich hätte deine Schultern abgenibbelt und mich anschließend zu deinen Brüsten vorgearbeitet. Dann wären wir miteinander ins Bett gegangen. Stattdessen muss ich mich wieder anziehen und womöglich auch noch umbringen lassen. Oder er foltert mich, um herauszubekommen, wo du bist.«
    »Du musst nicht, wenn du nicht willst«, sagte ich.
    Das Ganze endete damit, dass Ben einen Freund namens Scud anrief. »Das ist nicht sein wirklicher Name«, erklärte er. Scud machte etwas mit Computergrafik, und in seiner Freizeit spielte er in einer Rugby-Mannschaft. »Er ist ein Schrank von einem Mann und hat außerdem einen Sprung in der Schüssel«, fügte Ben hinzu. Es gelang ihm, Scud zu überreden, gleich zu uns zu kommen. »Ja, jetzt sofort«, hörte ich ihn am Telefon sagen. Fünfzehn Minuten später stand Scud vor der Tür. Er war tatsächlich von recht kräftiger Statur. Es schien ihn zu amüsieren, eine neue Frau in Bens Bademantel kennen zu lernen, aber die knappe Version meiner Geschichte, die Ben ihm erzählte, verwirrte ihn sichtlich. Trotzdem zuckte er mit den Achseln und meinte, das wäre kein Problem.
    Ich beschrieb den beiden kurz, wo meine Sachen zu finden waren.
    »Und wenn ihr wieder geht, dann stellt bitte sicher, dass euch niemand folgt«, schloss ich.
    Scud starrte mich an. Allem Anschein nach war er nun doch beunruhigt. Ich hatte nicht daran gedacht, dass vieles von dem, was ich von mir gab, auf normale, nicht vorbereitete Menschen wie das Geplapper einer Wahnsinnigen wirkte. Ben schnitt eine Grimasse.
    »Du hast doch gesagt, es wäre nicht gefährlich.«
    »Für euch nicht. Aber er könnte auf die Idee kommen, dass ihr zu mir gehört, und euch folgen. Haltet einfach die Augen

Weitere Kostenlose Bücher