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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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kostbare Zeit der Polizei verschwendet habe. Sie haben mich einfach gehen lassen, ohne Polizeischutz. Ich fühle mich wie auf dem Präsentierteller.« Ich rechnete damit, dass er jetzt zu mir herüberkommen würde, aber er rührte sich nicht von der Stelle, starrte mich bloß mit ratloser Miene an. Ich holte tief Luft. »Also, was ist mit meinen Sachen passiert? Wer hat sie mitgenommen?«
    »Du.«
    »Was? Ich?«
    »Vor zwei Wochen.«
    »Ich hab sie mitgenommen?«
    »Ja.« Terry setzte sich anders hin. Er musterte mich eindringlich. »Ist das wahr? Du kannst dich an nichts erinnern?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es ist alles vollkommen verschwommen. Als hätte sich eine dicke schwarze Wolke über die letzten Wochen gesenkt. Ich kann mich vage erinnern, im Büro gewesen zu sein und hier. Danach versinkt alles im Dunkeln. Aber wovon sprichst du eigentlich? Was meinst du damit, ich habe sie mitgenommen?«
    Nun war es an Terry, verlegen zu wirken. Seine Augen flackerten, als würde er krampfhaft überlegen, was er jetzt sagen sollte. Dann wurde sein Blick wieder ruhig. »Du bist gegangen«, sagte er.

    »Wie meinst du das?«
    »Du hattest es mindestens tausendmal angekündigt.
    Deswegen brauchst du mich jetzt auch nicht so strafend anzuschauen, als wäre das meine Schuld!«
    »Ich schaue dich überhaupt nicht strafend an.«
    Er kniff die Augen zusammen. »Du kannst dich wirklich nicht erinnern?«
    »Nein, beim besten Willen nicht.«
    Er zündete sich eine weitere Zigarette an. »Wir haben uns gestritten.«
    »Weswegen?«
    »Keine Ahnung. Weswegen streitet man sich? Wegen einer blöden Kleinigkeit. Wahrscheinlich war es der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.«
    »Bitte nicht dieses Klischee!«
    »Na bitte, da haben wir es ja wieder. Vielleicht habe ich ein Klischee benutzt, das dich gestört hat, oder den falschen Löffel in die Hand genommen. Jedenfalls haben wir uns gestritten.
    Irgendwann hast du gesagt, nun sei endgültig Schluss.
    Ich dachte, du würdest nur Spaß machen und bin gegangen. Als ich zurückkam, warst du damit beschäftigt, deine Sachen zusammenzupacken. Das heißt, einen Teil davon. Du hast alles mitgenommen, was in deine große Tasche passte, und bist abgedüst.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    »Sieh dich um, Abbie. Wer außer dir würde deinen CD-Player wollen?«
    »Demnach hatten wir also eine von unseren üblichen Auseinandersetzungen.«
    »Eine von unseren schlimmeren Auseinandersetzungen.«

    Mir war plötzlich kalt, und ich fühlte mich niedergeschlagen. Ich sah keinen Grund, noch mit irgendetwas hinter dem Berg zu halten.
    »Ich habe vieles vergessen«, sagte ich. »Aber ich bin mir durchaus noch bewusst, dass unsere schlimmeren Auseinandersetzungen in der Regel damit endeten, dass du auf mich losgegangen bist.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Hast du mich geschlagen?«
    »Nein«, antwortete Terry, aber sein halb abwehrender, halb beschämter Gesichtsausdruck sagte mir etwas anderes.
    »Weißt du, das war einer der Gründe, warum die Polizei mir nicht geglaubt hat. Ich bin ein notorisches Opfer. Ich habe in dieser Hinsicht eine Geschichte. Ich bin eine Frau, die schon öfter geschlagen worden ist. Einmal habe ich deswegen die Polizei gerufen. Erinnerst du dich an den Abend? Wahrscheinlich nicht. Du hattest getrunken, und wir sind in Streit geraten. Den konkreten Anlass weiß ich in dem Fall auch nicht mehr. War es vielleicht der Abend, an dem du ein Hemd anziehen wolltest, das noch nass war, weil ich es gerade erst gewaschen hatte? Und ich dich daraufhin gefragt habe, warum du dein Zeug nicht selbst wäschst, wenn dir das nicht passt?
    War das der Grund für unseren Streit? Oder war es einer der Abende, an denen du mir vorgehalten hast, dass ich dein Leben ruiniere, indem ich dauernd auf dir herumhacke? Solche Abende gab es viele. Es ist schwer, sie auseinanderzuhalten. Auf jeden Fall endete es damit, dass du nach dem Küchenmesser gegriffen hast und ich die Polizei anrief.«
    »Nein, daran kann ich mich nicht erinnern«, sagte Terry.
    »Du übertreibst.«

    »Nein, ich übertreibe nicht, und ich sauge mir das auch nicht aus den Fingern. Ich schildere lediglich, was passiert, wenn du betrunken bist. Erst bist du ganz fidel, dann kippt deine gute Laune ein bisschen ins Aggressive, dann wirst du eine Weile sentimental und bemitleidest dich selbst, aber spätestens nach dem vierten Drink wirst du so richtig wütend. Wenn ich zufällig gerade da bin, wirst du wütend auf mich. Ich

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