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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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habe nicht vor, wie eine rachsüchtige Xanthippe aufzulisten, was du in betrunkenem Zustand alles geliefert hast. Fest steht, dass dich der Alkohol irgendwie ausrasten lässt. Warum, ist mir schleierhaft. Und aus irgendeinem Grund, der mir genauso schleierhaft ist, glaube ich dir jedes Mal von neuem, wenn du mir weinend versprichst, dass es nie, nie wieder vorkommen wird.«
    Terry drückte seine Zigarette aus und zündete sich eine neue an. War es die vierte oder schon die fünfte?
    »Abbie, was wir hier gerade veranstalten, ist eine recht gute Imitation unseres letzten Streits.«
    »Dann wünschte ich, ich könnte mich daran erinnern, weil mir die Frau, die sich endlich ein Herz gefasst und Schluss gemacht hat, ziemlich imponiert.«
    »Ja.« Terry klang plötzlich fast so müde wie ich. »Mir hat sie auch ziemlich imponiert. Hör zu, es tut mir Leid, dass ich dich im Krankenhaus nicht besucht habe. Als ich davon hörte, wollte ich gleich zu dir kommen, aber dann ist mir etwas dazwischengekommen, und plötzlich warst du hier bei mir im Bad.«
    »Schon gut«, sagte ich. »Also, wo sind meine Sachen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast mich verlassen, hast du das schon wieder vergessen?«

    »Wann habe ich dich verlassen?«
    »Wann?«
    »An welchem Tag?«
    »Oh. Am Samstag.«
    »Welchem Samstag?«
    Er warf mir einen misstrauischen Blick zu, als hätte er noch immer den Verdacht, dass ich mich nur verstellte.
    »Am Samstag, den zwölften Januar. Gegen Mittag«, fügte er hinzu.
    »Das war vor sechzehn Tagen! Und ich kann mich nicht erinnern!« Wieder war ich den Tränen nahe. »Habe ich dir denn keine Adresse hinterlassen?«
    »Du wolltest zunächst bei Sadie bleiben. Aber nur für eine Nacht, glaube ich.«
    »Und danach?«
    »Keine Ahnung.«
    »O mein Gott!« Entnervt ließ ich den Kopf in die Hände sinken. »Wo soll ich denn jetzt hin?«
    »Du könntest eine Weile hier bleiben, wenn du willst.
    Das ginge schon in Ordnung. Allerdings nur, bis du alles geklärt hast. Wir könnten noch einmal über alles reden …
    Du weißt schon.«
    Nachdenklich betrachtete ich Terry, der mir in einer Wolke aus Zigarettenrauch gegenübersaß. Ich musste an die Frau denken, die Frau, an die ich mich nicht erinnern konnte – mich selbst vor sechzehn Tagen, als ich die Entscheidung getroffen hatte, ihn zu verlassen.
    »Nein«, antwortete ich. »Nein. Ich muss mich dringend um ein paar Dinge kümmern. Alle möglichen Dinge.«
    Ich blickte mich um. Hatte ein kluger Mensch nicht einmal gesagt, dass man, wenn man an einem Ort etwas zurückließ, indirekt zum Ausdruck brachte, dass man zurückkommen wollte? Aus unerfindlichen Gründen hatte ich das Gefühl, etwas mitnehmen zu müssen. Irgendetwas.
    Auf dem Kaminsims stand ein kleiner Globus. Terry hatte ihn mir zum Geburtstag geschenkt, meinem einzigen Geburtstag, den wir gemeinsam verbracht hatten. Ich griff danach. Terry sah mich fragend an.
    »Er gehört mir«, erklärte ich. »Du hast ihn mir geschenkt. Zum Geburtstag.«
    Ich steuerte bereits auf die Tür zu, als mir noch etwas einfiel.
    »Ach ja, Terry«, sagte ich. »Meine Geldbörse ist noch nicht wieder aufgetaucht. Ich habe keinen Penny Bargeld.
    Könntest du mir was leihen? Zehn Pfund. Oder zwanzig.
    Was du entbehren kannst.«
    Mit einem lauten Seufzer stand Terry auf und ging zu seiner Jacke, die über der Sofalehne hing. Er kramte in seiner Brieftasche.
    »Ich kann dir fünfzehn geben«, meinte er. »Mehr leider nicht. Den Rest brauche ich heute Abend selbst.«
    »Das genügt schon.«
    Dann zählte er das Geld ab, als würde er die Zeitungsrechnung bezahlen. Einen Zehn-Pfund-Schein, drei Ein-Pfund-Münzen, eine Menge Silber und Kupfer.
    Ich nahm alles.

    3
    Ich gab zwei Pfund achtzig für die U-Bahn aus und legte eine Zwanzig-Pence-Münze in den aufgeklappten Geigenkasten eines Straßenmusikanten, der am Fuß der Rolltreppe gerade »Yesterday« spielte und dabei versuchte, die Blicke der Leute auf sich zu ziehen, die auf ihrem Heimweg nach der Arbeit an ihm vorbeiströmten.
    Als ich in Kennington ankam, gab ich einen weiteren Fünfer für eine Flasche Rotwein aus. Nun hatte ich noch sieben Pfund. Immer wieder fasste ich in die hintere Tasche meiner Hose, um sicherzustellen, dass das Geld noch da war, ein gefalteter Schein und fünf Münzen.
    Davon abgesehen besaß ich im Moment nur die Plastiktasche mit den fremden Kleidern, in denen man mich vor sechs Tagen gefunden hatte. Sechs Tage waren seither erst

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