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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Lederjacke, steckte den Schlüssel und die Tablette ein und verließ die Wohnung. Mein Wagen war noch da, doch inzwischen klemmte unter seinen vereisten Scheibenwischern ein in Plastik gehüllter Strafzettel.
    Darum würde ich mich später kümmern. Ich joggte durch die Dunkelheit in die Camden High Street und lief sie entlang, bis ich zu einer Apotheke kam, gerade noch rechtzeitig vor Ladenschluss. Ich trat an die Theke, wo mich ein junger Asiate fragte, ob er mir helfen könne.

    »Ich hoffe. Können Sie mir vielleicht sagen, was das hier ist?« Ich zog den silbernen Streifen heraus und reichte ihn ihm.
    Er warf einen kurzen Blick darauf und sah mich stirnrunzelnd an. »Gehört das Ihnen?«
    »Ja«, sagte ich. »Das heißt, nein. Dann würde ich ja wissen, worum es sich handelt. Ich habe die Tablette gefunden. Im Zimmer meiner kleinen Schwester, und ich wollte nur sicherstellen, dass es nichts Gefährliches ist. Sie sehen ja, dass eine der Tabletten fehlt.«
    »Wie alt ist Ihre Schwester?«
    »Neun«, sagte ich aufs Geratewohl.
    »Verstehe.« Er legte den Streifen auf die Theke und nahm seine Brille ab. »Es handelt sich um ein Verhütungsmittel für Notfälle.«
    »Wie bitte?«
    »Die Pille danach.«
    »Oh.«
    »Und Sie sagen, Ihre Schwester ist erst neun?«
    »Oje!«
    »Sie sollte einen Arzt aufsuchen.«
    »Also, ehrlich gesagt …«, stammelte ich nervös. Eine andere Kundin war hinter uns getreten, verfolgte neugierig unser Gespräch.
    »Wann, glauben Sie, hat sie die Tablette eingenommen?«
    »Schon vor längerer Zeit. Sicher vor zehn Tagen schon.
    Hören Sie …«
    Er sah mich äußerst missbilligend an, danach machte sich auf seinem Gesicht ein ironischer Ausdruck breit. Ich glaube, er wusste Bescheid.

    »Normalerweise«, sagte er, »sollte man zwei von diesen Pillen nehmen. Die erste spätestens zweiundsiebzig Stunden, nachdem der Verkehr stattgefunden hat, vorzugsweise früher, die zweite weitere zwölf Stunden später. Ihre Schwester könnte also schwanger sein.«
    Ich griff nach dem Streifen und fuchtelte damit in der Luft herum. »Ich werde mich darum kümmern, das versichere ich Ihnen. Vielen Dank. Ich werde dafür sorgen, dass alles wieder in Ordnung kommt. Nochmals vielen Dank.« Mit diesen Worten floh ich auf die Straße hinaus. Es war herrlich, den kalten Regen auf meinen brennenden Wangen zu spüren.

    9
    Ich wusste, was passiert war. Ich wusste es genau. Ich hatte eine Lächerlichkeit begangen, von der ich aus Erzählungen wusste, dass andere Leute sie auch schon begangen hatten. Sogar Freunde von mir. Wie erbärmlich.
    Sobald ich wieder in der Wohnung war, rief ich Terry an.
    Er klang, als hätte er geschlafen. Ich fragte ihn, ob an diesem Morgen Post für mich gekommen sei. Er murmelte, es seien zwei Briefe für mich dabei gewesen.
    »Vielleicht haben sie mir meine Kreditkarte geschickt.
    Sie haben gesagt, sie würden es versuchen.«
    »Wenn du möchtest, kann ich sie an dich weiterschicken.«
    »Ich brauche die Karte wirklich dringend, und ich bin gerade in der Gegend. Ist es dir Recht, wenn ich kurz vorbeischaue?«
    »Na ja, meinetwegen, aber …«
    »Ich bin in einer halben Stunde bei dir.«
    »Ich dachte, du wärst in der Gegend?«
    Vergeblich zermarterte ich mir das Gehirn nach einer klugen Erklärung.
    »Hör zu, je länger wir reden, desto länger brauche ich.«

    Als ich eintraf, hatte er bereits eine Flasche Wein geöffnet.
    Er bot mir ein Glas an, und ich nickte. Ich musste in dieser Sache mit Fingerspitzengefühl vorgehen, mich langsam an das Thema herantasten. Er betrachtete mich mit dem abschätzenden Blick, den ich so gut kannte, als wäre ich eine schwer einzuordnende Antiquität, deren Wert es festzustellen galt.
    »Du hast deine Kleider gefunden«, stellte er fest.
    »Ja.«
    »Wo waren sie?«
    Ich hatte keine Lust, ihm das zu verraten. Das war nicht nur Sturheit von mir. Ich hielt es für ratsam, die größtmögliche Verwirrung zu stiften, was meinen Aufenthaltsort während der nächsten paar Tage betraf.
    Wenn die Leute, die wussten, wer ich war, nicht wussten, wo ich war, und die Leute, die wussten, wo ich war, nicht wussten, wer ich war, dann erhöhte das vielleicht für eine Weile meine Sicherheit. Auf jeden Fall gab ich dann keine ganz so leichte Beute ab.
    »Ich hatte sie bei einer Freundin gelassen«, antwortete ich.
    »Bei wem?«
    »Du kennst sie nicht. Hast du meine Post?«
    »Sie liegt auf dem Tisch.«
    Ich ging hinüber und inspizierte die beiden Umschläge.
    Der

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