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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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sein. Vier, fünf sechs, vielleicht noch mehr. Das Letzte, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass ich am Dienstag, dem fünfzehnten Januar, abends in einem indischen Restaurant etwas zu essen bestellt und in diese Wohnung hatte liefern lassen. Die dazwischenliegenden Tage musste ich noch auffüllen.
    Was hatte ich in dieser Zeit getan? Immerhin wusste ich, dass ich sie nicht mit meinen Freunden verbracht hatte.
    Mir kam ein Gedanke. Ich ging in die Küche. Ich musste ein paar Schranktüren öffnen, ehe ich den Mülleimer fand.
    Ein fürchterlicher, faulig-süßlicher Geruch schlug mir entgegen, als ich mich darüber beugte. Trotzdem zwang ich mich, hineinzusehen. Der Eimer enthielt schreckliche Dinge, schimmelige, ranzige, schleimige Reste, aber keine Alubehälter eines Takeaway-Restaurants. Was bedeutete, dass der Eimer seitdem mindestens einmal geleert worden war und jemand neuen Müll hineingeworfen hatte. Was bedeutete, dass Jo oder ich oder Jo und ich oder ein Dritter nach besagtem Dienstag noch eine Weile hier gewesen war. Es sei denn, die Behälter des indischen Restaurants waren nicht in den Mülleimer, sondern gleich draußen in eine Tonne geworfen worden. Wie wahrscheinlich war das?
    Mein Kopf schmerzte. Hatte Robin nicht erwähnt, ich hätte sie angerufen, um unseren abendlichen Drink abzusagen? Ich schrieb »Mittwoch« an den Rand der Seite und malte ein Fragezeichen daneben.
    Ich begann Carols Liste mit Anrufen durchzugehen.
    Mehr als alles andere führten mich diese schnell hingeworfenen Notizen, diese dringenden Mitteilungen und knappen Antworten, zurück in mein altes Leben. Jene, die mir etwas sagten, strich ich nacheinander aus. Am Ende blieben drei übrig, mit denen ich nichts anfangen konnte. Neben der einen stand kein Name, sondern lediglich eine Telefonnummer. Eine andere lautete:
    »Pat hat angerufen«. Pat? Ich kannte ungefähr zwölf Leute namens Pat, männlich wie weiblich. Ich musste an eine Pat denken, die mit mir im Kindergarten gewesen war. Ich hatte nie wieder jemanden kennen gelernt, der so laut schreien konnte wie sie. Die dritte Nachricht beschränkte sich auf: »Ein Typ hat angerufen.« Danke, Carol.
    Ich setzte mich wieder und griff nach einem weiteren leeren Blatt Papier. Oben in die Mitte schrieb ich: »Zu erledigen.«
    Mein allgemeines Lebensmotto lautete, wenn du im Zweifel bist, schreib eine Liste. Zuerst schrieb ich:
    »Telefonnummern anrufen«, darunter: »Avalanche«.
    Laurence hatte gesagt, nachdem ich bei Jay & Joiner hinausgestürmt sei, hätte ich meine Freizeit darauf verwendet, mit Leuten zu sprechen, die an dem Projekt beteiligt gewesen seien, und sie dazu ermutigt, sich zu beschweren. Das war einer der wenigen richtigen Hinweise auf das, was ich während meiner verlorenen Tage getan hatte.
    Ich schlug die Avalanche-Akte auf und nahm die Kontaktadressenliste heraus, die obenauf lag. Sie bestand aus lauter vertrauten Namen, lauter Leute, mit denen ich in jenen hektischen Tagen Anfang Januar zu tun gehabt hatte. Ich blätterte die Akte durch, notierte mir weitere Namen, klammerte manche davon ein und unterstrich andere. Allein schon der Gedanke an die Arbeit, die ich in dieser Zeit geleistet hatte, machte mich müde.
    Schließlich gelangte ich zu den Abrechnungen am Ende der Akte. Ich starrte auf die Zahlen, bis sie mir vor den Augen tanzten. Als würden sich einzelne Gestalten aus einem dichten Nebel lösen, fielen mir einige der Auseinandersetzungen wieder ein, die ich mit Laurence geführt hatte. Oder mir fiel der Grund wieder ein, weshalb ich sie geführt hatte: das schäbige Verhalten unserer Firma ihren Subunternehmern gegenüber, die phantasievolle Buchhaltung, die vor meiner Nase praktiziert worden war.
    Und mir fiel Todd wieder ein.
    Im Grunde war Todd ein Teil meines Lebens, den ich nie vergessen, sondern lediglich verdrängt hatte. Hinterher habe ich mich gefragt, ob ich die Zeichen nicht schon eher hätte erkennen müssen. Todd hatte das Avalanche-Projekt geleitet. Es hatte sich dabei um eine höchst komplizierte Aufgabe gehandelt, die eine Mischung aus Fingerspitzengefühl und hartem Durchgreifen erforderte.
    Ich hatte sehr schnell gelernt, dass bei einem solchen Projekt jeder einen Groll gegen jemand anderen hegt und jeder eine Entschuldigung für seine eigenen Unzulänglichkeiten parat hat. Wenn man einen Schritt zu viel in die eine Richtung tut, provoziert man einen Aufstand. Einen Schritt zu weit in die andere Richtung, und es geht absolut nichts

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