In seiner Hand
Männergesichts.
Der Mann hatte dunkles Haar, unglaublich lange Wimpern und sah italienisch aus. Er lächelte, und rund um seine Augen waren feine Lachfältchen zu sehen. Ich trat an den Kleiderschrank, öffnete ihn, berührte aufs Geratewohl einige Kleidungsstücke – ein schwarzes Kleid, ein weiches Wollhemd, eine dünne graue Strickjacke. Es waren die Kleider einer anderen Frau. Ich hob den Deckel des Wäschekorbs und spähte hinein. Er war leer, abgesehen von einem weißen Slip und ein paar Socken.
Die nächste Tür führte ins Bad. Es war sauber, warm und weiß gefliest. Meine blau-weiße Zahnbürste stand in einem Glasbecher, gleich neben ihrer schwarzen. Meine Zahnpastatube lag geöffnet neben der ihren, deren Deckel ordentlich zugeschraubt war. Mein Deo, meine Feuchtigkeitscreme und mein Schminkköfferchen waren ebenfalls da. Mein grünes Handtuch hing neben ihrem bunten über der Heizung. Ich wusch mir die Hände, trocknete sie an meinem eigenen Handtuch ab, starrte auf mein ungewohntes Gesicht im Spiegel. Ich rechnete fast damit, sie hinter mir stehen zu sehen, dieses breite Lächeln im Gesicht. Josephine Hooper. Jo.
Als ich den dritten Raum betrat, wusste ich gleich, dass es sich um mein Zimmer handelte – nicht weil ich auf Anhieb einzelne Gegenstände erkannte, die mir gehörten, sondern weil ich auf eine seltsame, sehr intensive Weise das Gefühl hatte, nach Hause zu kommen. Vielleicht hatte es mit dem Geruch zu tun oder der leichten Unordnung im Raum. Schuhe auf dem Boden. Mein offener Koffer unter dem Fenster, mit Shirts, Pullis und Unterwäsche gefüllt.
Ein dicker, pinkfarbener Pulli auf dem Stuhl. Ein kleiner Berg Schmutzwäsche in der Ecke. Ein paar ineinander verschlungene Ketten und Ohrringe auf dem Nachttisch.
Das lange Rugby-Shirt, das ich meistens als Nachthemd trage, über dem Kopfteil des Betts. Ich zog die Schranktür auf. Da hingen meine beiden klassischen Kostüme, meine Winterkleider und -röcke. Und der blaue Mantel, von dem Robin mir erzählt hatte, sowie das braune Kleid aus Knittersamt. Ich beugte mich vor, roch an seinem weichen Stoff und fragte mich, ob ich überhaupt noch dazu gekommen war, es zu tragen.
Ich ließ mich auf das Bett fallen. Ein paar Augenblicke saß ich einfach nur da und schaute mich um. Mir schwirrte ein wenig der Kopf. Dann streifte ich meine Schuhe ab, legte mich hin und lauschte mit geschlossenen Augen dem Brummen der Zentralheizung. Davon abgesehen war es sehr ruhig. Nur hin und wieder hörte ich in der Wohnung über mir gedämpfte Schritte oder in einer nahe gelegenen Straße ein Auto vorbeifahren. Ich legte den Kopf auf mein Rugby-Shirt. Irgendwo wurde eine Autotür zugeschlagen, und jemand lachte.
Ich musste eingenickt sein, denn als ich schließlich mit einem komischen Geschmack im Mund hochschreckte, hatte es draußen zu regnen begonnen. Die Straßenlampen tauchten alles in ein orangefarbenes Licht, auch den Baum vor meinem Fenster. Als ich leicht fröstelnd nach dem pinkfarbenen Pulli griff, entdeckte ich darunter meine Tasche, prall gefüllt und ordentlich geschlossen. Der Reißverschluss klemmte. Obenauf lag meine Geldbörse.
Ich öffnete sie. Sie enthielt vier brandneue Zwanzig-Pfund-Scheine und etwas an Kleingeld, außerdem meine Kreditkarten, meinen Führerschein, Briefmarken, einen Zettel mit meiner Krankenversicherungsnummer, mehrere Visitenkarten. Es schien überhaupt nichts zu fehlen.
Meine Tasche unter den Arm geklemmt, ging ich in die Wohnküche. Nachdem ich die Vorhänge zugezogen hatte, schaltete ich die Stehlampe und das Licht über dem Herd an. Es war nett hier, gemütlich. Allem Anschein nach war es eine gute Entscheidung gewesen, hier einzuziehen. Ich spähte in den Kühlschrank. Er war vollgestopft mit Lebensmitteln – frischer Pasta, Butter, Käse – Cheddar, Parmesan und Feta –, zahlreichen Bechern mit Joghurt, Eiern, einem halben Laib Vollkornbrot, einer angebrochenen Flasche Weißwein. Fleisch oder Fisch konnte ich jedoch nicht entdecken – vielleicht war diese Jo Vegetarierin. Die meisten Waren waren abgelaufen, die Milch roch sauer, das Brot war hart, der Salat in seiner Plastikhülle schlapp und welk. Der Wein aber musste dringend getrunken werden, dachte ich.
Ohne nachzudenken trat ich an einen Schrank und nahm ein großes Weinglas heraus. Ich wollte gerade nach der Weinflasche greifen, als ich mitten in der Bewegung erstarrte: Ich hatte gewusst, wo die Gläser aufbewahrt wurden. Ein winziger, verschütteter
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