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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Jos Post denken, die bestimmt ein paar Rechnungen enthielt. Bald würden Männer vorbeikommen und das Gas, den Strom und das Telefon kappen. Ich wohnte im Moment hier. Ich musste auch Verantwortung übernehmen. Möglicherweise hatte ich mit Jo vereinbart, dass ich mich während ihrer Abwesenheit um alles kümmern würde. Ich stellte mir vor, wie sie zur Tür hereinkommen und einen Haufen unbezahlter Rechnungen vorfinden würde, während ich in der Küche saß und ihren Wein vernichtete. Ich schenkte mein Glas erneut voll – fast bis zum Rand – und begann, die Verantwortung für Jos Post zu übernehmen.
    Wie sich herausstellte, enthielt sie nicht viel, worum ich mich kümmern musste. Nachdem ich die Umschläge weggeworfen und dann sämtliche Zeitschriften, Kataloge, Angebote von Versicherungen und Einladungen zu diversen Veranstaltungen aussortiert hatte, blieb noch eine Handvoll Briefe übrig. Zum Teil handelte es sich tatsächlich um Rechnungen: Telefon, Gas, Strom, Kreditkarte. Rasch blätterte ich sie durch. Nur niedrige Beträge. Kein Grund zur Beunruhigung. Ich rechnete sie im Kopf grob zusammen und kam zu dem Ergebnis, dass keine hundert Pfund nötig sein würden, um sie alle zu bezahlen. Ich konnte sogar ihre Kreditkartenrechnung begleichen, denn sie belief sich lediglich auf magere einundzwanzig Pfund. Zu Jos Talenten zählte offenbar eine zen-buddhistische Kontrolle über ihre Finanzen. Der Rest ihrer Post bestand aus drei Briefen mit handgeschriebener Adresse und zwei Postkarten, auf die ich nur einen flüchtigen Blick warf und sie gut sichtbar auf dem Kaminsims deponierte.
    Das Telefon klingelte. Ich nahm nicht ab. Diesbezüglich hatte ich beschlossen, Jo noch zwei Tage zu geben. Wenn sie bis dahin nicht zurück war, würde ich anfangen, ihre Anrufe entgegenzunehmen. Bis dahin ließ ich das Band laufen und hörte zu, wenn ein Freund oder eine Freundin eine Nachricht hinterließ. Hallo, hier ist Jeff oder Paul oder Wendy, ruf mich bitte zurück.
    Vor dem Einschlafen dachte ich darüber nach, wen ich als Nächstes besuchen musste. Er war der letzte Mensch, den ich jetzt sehen wollte. Fast.

    Todd Benson war sichtlich überrascht, mich vor seiner Tür stehen zu sehen. Ich hatte vorher nicht angerufen, war aber davon ausgegangen, ihn zu Hause anzutreffen.
    »Abbie«, sagte er, als musste er sich erst versichern, dass ich es wirklich war, oder als würde er hoffen, dass ich es nicht war.
    »Carol hat mir deine Adresse gegeben«, schwindelte ich.
    »Ich habe sie angerufen und ihr gesagt, dass ich dich gern besuchen würde. Um mich zu erkundigen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Da ich gerade in der Gegend war, dachte ich mir, ich schaue kurz vorbei.«
    Letzteres entsprach ebenfalls nicht der Wahrheit. Todd wohnte in einer Souterrain-Wohnung an einem schicken Platz am südlichen Flussufer. Ein Stück konnte man mit der U-Bahn fahren, der restliche Weg bestand aus einem strammen Fußmarsch. Die Adresse stammte aus der Akte, und Carol hatte ich gar nichts erzählt. Ich hatte das nur behauptet, um mich ein bisschen sicherer zu fühlen.
    Todd bat mich achselzuckend herein. Ich hatte damit gerechnet, dass er entweder sehr unfreundlich oder sehr deprimiert sein würde, doch er war einfach höflich und bot mir sogar einen Kaffee an. Während er ihn zubereitete, betrachtete ich ihn.
    Er trug ein graues T-Shirt, eine violette Jogginghose und Mokassins, also nicht gerade ein schickes Büro-Outfit.
    Den letzten Überrest von Jay & Joiner verkörperte seine Designerbrille, die einen derart dicken Rahmen hatte, dass sie wie eine Schweißerbrille aussah. Nachdem er mir meine Tasse Kaffee gereicht hatte, standen wir uns in seiner Küche verlegen gegenüber. Ich legte beide Hände um die Tasse, weil meine Finger von dem eisigen Nordwind, der draußen wehte, noch immer klamm waren.
    »Du siehst noch schlimmer aus als ich«, stellte er fest.
    »Ich habe auch eine schwere Zeit hinter mir«, erklärte ich.
    »Ich habe unbezahlten Urlaub genommen.«
    »Genau wie ich.«
    Ich war nicht sicher, inwieweit das von ihm scherzhaft gemeint war.
    »Sozusagen«, antwortete ich vorsichtig. »Aber deswegen bin ich nicht hier. Ich bin von jemandem niedergeschlagen worden.«
    »Von wem?«
    »Ich weiß es nicht. Sie haben noch niemanden gefasst.
    Ich war ernsthaft verletzt und eine Folge davon ist, dass ich mich an die letzten Wochen nur sehr vage erinnern kann.«
    Er nippte an seinem Kaffee.
    »Es freut mich nicht, das zu hören«, sagte

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