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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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bohrten sich in meine Handflächen.
    »Sind sie sicher, dass es der Montag war?«
    »Es ist zu kompliziert, um im Einzelnen auf die Gründe einzugehen, aber ich bin ziemlich sicher«, antwortete er in Anlehnung an meine Ausdrucksweise.
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Als ich aufstand, erhob er sich ebenfalls.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte ich sehr formell.
    »Kein Problem«, antwortete er. »Auf Wiedersehen. Und weiterhin gute Besserung.«
    »Gute Besserung?«
    »Ja. Sie sind krank gewesen, nicht wahr?«
    »Es geht mir wieder gut«, antwortete ich rasch und ging.

    Den Installateur Molte Schmidt hatte ich am vierzehnten nicht aufgesucht, aber ich hatte ihn angerufen. Damit hätte ich ihm sehr geholfen, sagte er. Ich muss an dem Montag einen ziemlich stressigen Terminplan gehabt haben, dachte ich – erst dann fiel mir auf, dass der heutige Tag im Grunde eine Neuauflage des betreffenden Tages war und ich sozusagen auf meinen eigenen Spuren wandelte.
    Ich genoss meine zwanzig Minuten mit Molte, weil er jung und freundlich war und mit seinem Pferdeschwanz und seinen erstaunlich blauen Augen zudem sehr gut aussah. Und weil er – wie er mir erklärte, halb finnischer und halb deutscher Abstammung war und einen extrem starken Akzent hatte.
    Hier, in der hereinbrechenden Dämmerung, war ich an meiner letzten Station des Tages angelangt. Der leichte Schneefall hatte sich mittlerweile in dichtes Schneetreiben verwandelt. In den Gewächshäusern brannte überall Licht.
    Als ich eintrat, schlug mir ein harziger Geruch entgegen, und ich hörte Wasser laufen. Hin und wieder brachte ein Luftzug ein entferntes Windspiel zum Klingen.
    Es war, als wäre ich aus meiner Welt in eine andere Dimension eingetreten. Obwohl das Gewächshaus nicht groß war, bot sich mir ein Panoramablick, als könnte ich kilometerweit sehen. Überall standen Bäume, alte und schöne Bäume mit knorrigen Stämmen und ausladenden Ästen. Ich beugte mich zu einem von ihnen hinunter und berührte ihn vorsichtig.
    »Eine chinesische Ulme«, sagte eine Stimme hinter mir.
    »Über hundert Jahre alt.«
    Ich richtete mich auf. Gordon Lockhart war ein stämmiger Mann mit Glatzenansatz. Über einem dicken blauen Pullover trug er leuchtend rote Hosenträger.
    »Eine Zimmerpflanze«, fuhr er fort. »Das hier« – er deutete auf einen kleinen Baum mit flammenfarbenen Blättern – »ist ein japanischer Ahorn. Für draußen. Wir haben ihn nur zum Überwintern hier hereingestellt.«
    »Er ist wunderschön«, sagte ich. »Was hier für eine seltsame, wundervolle Atmosphäre herrscht. So friedlich.«
    »Da haben Sie Recht«, pflichtete er mir bei. »Sowie ich die schmutzige, laute Straße hinter mir lasse und hier hereinkomme, bin ich in einer anderen Welt. Ein alter Wald mitten in London. Dies ist eine bengalische Feige, auch Banyan genannt. Sehen Sie sich diese Luftwurzeln an.«
    »Wunderschön«, sagte ich noch einmal. »Wie aus einem Traum.«
    »Lassen Sie sich Zeit. Es ist nicht leicht, den richtigen Baum für sich auszusuchen. Oder ist es ein Geschenk? Als Geschenk sind sie sehr beliebt, vor allem für Hochzeiten und Jahrestage.«
    »Eigentlich bin ich gekommen, um Sie etwas zu fragen«, sagte ich. »Ich glaube, wir haben schon einmal miteinander gesprochen.«
    »Ich spreche mit vielen Leuten.«

    »Ich bin von Jay & Joiner. Sie haben für die Avalanche-Büros am Canary Wharf zwanzig Bonsais geliefert. Ich nehme an, ich war hier, um Ihnen zu sagen, dass Sie für Ihre Arbeit mehr berechnen sollten.«
    »Abbie? Abbie Devereaux? Sie haben sich Ihr schönes Haar abschneiden lassen!«
    »Ja.«
    »Ich habe von Ihrer Firma tatsächlich mehr Geld bekommen. Und bei Ihnen habe ich mich mit einem Geschenk bedankt, wenn ich mich richtig erinnere.«
    »Ja«, antwortete ich, weil ich ihn nicht verletzen wollte.
    In Wirklichkeit konnte ich mich an nichts erinnern. Mir schwirrte schon wieder der Kopf. Hinter mir gurgelte Wasser. Es klang wie ein Lachen. »Sie haben mir eine chinesische Ulme geschenkt, nicht wahr?«
    »Ja, eine Ulme, weil Sie gesagt haben, Sie wollten einen Baum für drinnen. Zehn Jahre alt, wenn ich mich nicht täusche. Er hatte schon einen schönen dicken Stamm. Sie haben gesagt, Sie brauchten ihn als Geschenk.«
    »Als Geschenk«, wiederholte ich. »Ja. Er war ein perfektes Geschenk. Aber heute wollte ich Sie lediglich fragen, ob Sie sich noch erinnern können, wann wir uns gesehen haben. An das genaue Datum, meine ich.«
    Wie sich herausstellte,

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