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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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die verlorenen Tage ein weiteres Mal. Dann blickte ich auf.
    »Du glaubst also, man kann auch auf eine unehrliche Art glücklich sein?«

    Ich schrieb eine Neufassung meiner »Verlorenen Tage«
    und unterstrich die Daten ordentlich. Das Ergebnis sah ungefähr so aus:
    Freitag, 11. Januar: Showdown bei Jay & Joiner.
    Wütender Abgang.
    Samstag, 12. Januar: Streit mit Terry. Wütender Abgang. Übernachtung bei Sadie.
    Sonntag, 13. Januar: Vormittags Wechsel von Sadie zu Sheila und Guy. Shoppingorgie mit Robin, viel zu viel Geld ausgegeben. Gegen Abend Drink mit Sam. Rückkehr zu Sheila und Guy.
    Montag, 14. Januar. Treffen mit Ken Lofting, Mr. Khan, Ben Brody und Gordon Lockhart. Telefongespräch mit Molte Schmidt. Wagen vollgetankt. Anruf bei Sheila und Guy, dass ich nicht bei ihnen übernachte.
    Dienstag, 15. Januar: Rückkehr zu Sheila und Guy, wo ich Nachricht hinterlasse, dass ich anderswo untergekommen bin. Mitnahme meiner Sachen. Anruf bei Terry wegen Abholung meiner Sachen am folgenden Tag.
    Buchung eines Venedig-Urlaubs. Essenbestellung beim Inder.
    Mittwoch, 16. Januar: Kauf eines Bonsai. Telefonat mit Robin. Abholung meiner Sachen bei Terry. Telefonat mit Todd.
    Donnerstag, 17. Januar:

    Der Donnerstag war noch eine Leerstelle. In Großbuchstaben schrieb ich: »PILLE DANACH« und

    »JO«. Dann machte ich mir einen Kaffee, starrte aber so lange auf mein Blatt Papier, dass er kalt wurde.

    12
    Solange ich etwas zu tun hatte, ging es mir gut. Ich musste lediglich dafür sorgen, dass ich immer beschäftigt war, nicht zum Nachdenken kam, denn sonst schlugen die Erinnerungen wie eisige Wassermassen über mir zusammen, und ich fand mich wieder in der Dunkelheit, wo Augen mich anstarrten und Finger mich berührten.
    Nein, an diesen Ort durfte ich nicht mehr denken.
    Zunächst kümmerte ich mich um den Kühlschrank, entsorgte die alten Lebensmittel und säuberte die Fächer.
    Anschließend musste ich natürlich zum Einkaufen und die Vorräte wieder auffüllen. Ich ging in die Camden High Street, wo ich die Bank aufsuchte und zweihundertfünfzig Pfund von meinem Konto abhob. Mein noch vorhandenes Guthaben schrumpfte rasch, und es bestand keine unmittelbare Aussicht auf Nachschub. Ich kaufte Satsumas, Äpfel, Salat, Käse, Kaffee und Tee, Brot, Butter, Eier, Joghurt, Honig, zwei Flaschen Wein, eine rot, eine weiß, sechs Flaschen Weizenbier, außerdem Chips und Oliven. Anschließend besorgte ich Waschpulver und Toilettenpapier. Obwohl ich mich in Jos Wohnung immer noch ein wenig fremd und seltsam fühlte, machte ich es mir zunehmend gemütlich: Ich nahm lange Bäder, wusch meine Wäsche, stellte die Zentralheizung so ein, wie es mir angenehm war, kochte mir köstliche Mahlzeiten und zündete Kerzen an, wenn die Nacht hereinbrach. Trotzdem wartete ich stets darauf, dass sich ein Schlüssel im Schloss drehen und Jo zur Tür hereinspazieren würde, und hatte gleichzeitig Angst, dass sie niemals kommen würde. Für mich war sie in ihrer eigenen Wohnung wie ein Geist präsent, und auf unerklärliche Weise verfolgte sie mich.

    Beladen mit Plastiktüten, die in meine handschuhlosen Finger einschnitten, schleppte ich mich zur Wohnung zurück. Ich musste immer wieder stehen bleiben, um mich auszuruhen und die mir langsam entgleitenden Tüten fest in die Hand zu nehmen. Ein Mann bot mir seine Hilfe an, als ich mich gerade nach Luft ringend über meine Einkäufe beugte.
    »Ich komme allein zurecht«, fauchte ich ihn an. Der freundliche Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht.
    In der Wohnung nahm ich drei Umschläge aus Jos Schreibtisch und steckte in einen fünfzehn Pfund, für Terry. In dem Umschlag für Sheila und Guy landeten fünfundfünfzig, in dem dritten für Sam neunzig Pfund. Ich nahm mir fest vor, später eine Pilgerreise zu unternehmen, meine Schulden zu bezahlen und mich bei allen zu bedanken.
    Plötzlich fiel mir ein, dass ich mein Handy noch nicht als vermisst gemeldet hatte. Das hätte ich längst tun sollen.
    Ich wählte bereits die entsprechende Nummer, als mir ein anderer Gedanke durch den Kopf schoss. Vor Schreck zogen sich meine Eingeweide zusammen, und ich legte rasch den Hörer wieder auf, als könnte er mich beißen.
    Erneut verließ ich die Wohnung und ging die Maynard Street entlang, danach eine andere Straße, bis ich an eine funktionierende Telefonzelle gelangte. Drinnen roch es nach Urin, und die gesamte Zelle war mit Karten vollgeklebt, auf welchen Massagen und Französischstunden angeboten wurden.

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