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In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gab mir keine Antwort, sondern sah mich schweigend an.
    »Müssen Sie denn nicht arbeiten?«, fragte ich ihn.
    »Ich bin der Chef«, antwortete er. »Ich kann kommen und gehen, wann ich will.«
    Also erzählte ich ihm eine stockende, bruchstückhafte Version meiner Geschichte. Ich berichtete ihm von meinen Problemen bei Jay & Joiner, von denen er zum Teil bereits wusste, weil er am Rande selbst damit zu tun gehabt hatte.
    Ich erzählte ihm von meinem unbezahlten Urlaub und meinem Bruch mit Terry. Dann holte ich tief Luft und erzählte auch noch von dem Keller, in dem ich aufgewacht war, wo auch immer er sich befinden mochte, von meinen Tagen unter der Erde, von meiner Flucht und der Zeit im Krankenhaus, von den Personen, die mir nicht geglaubt und mich wieder in die Welt entlassen hatten.
    »Und um Ihre erste Frage vorwegzunehmen: Das einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ich einen Schlag auf den Schädel bekommen habe.« Vorsichtig fasste ich an die Stelle knapp über meinem Ohr. Sie war immer noch so empfindlich, dass ich jedes Mal von neuem zusammenzuckte, wenn ich sie berührte. »Wenn dieser Schlag Teile meines Lebens auslöschen konnte, vielleicht hat er dann andere hinzugefügt? Wissen Sie, dass ich diesen Gedanken noch nie laut ausgesprochen habe? Er ist mir öfter durch den Kopf gegangen, spätnachts, wenn ich aufwache und ans Sterben denke. Vielleicht ist das genau die Art Halluzination, die man hat, wenn man bei einem Unfall mit dem Kopf irgendwo gegengeschlagen ist.
    Womöglich phantasiert man dann davon, unter der Erde gefangen zu sein und in der Dunkelheit eine Stimme zu hören. Halten Sie das für möglich?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Ben. Er machte einen benommenen Eindruck. »Was für ein Alptraum!«
    »Vielleicht hat mich jemand überfallen und niedergeschlagen, oder ich wurde von einem Auto angefahren. Vielleicht bin ich nur ein paar Stunden irgendwo gelegen. Hatten Sie jemals solche Träume? Man scheint Jahre zu durchleben und dabei alt zu werden, aber dann wacht man auf und es ist nur eine einzige Nacht vergangen. Hatten Sie jemals einen solchen Traum?«
    »Ich kann mich an meine Träume nicht erinnern.«
    »Das ist wahrscheinlich ein Zeichen von psychischer Gesundheit. Ich habe solche Träume. Als ich in dem Keller war – wenn ich überhaupt dort war –, hatte ich auch Träume, an die ich mich ebenfalls erinnern kann. Ich habe von Seen geträumt, von schwerelosem Dahintreiben auf dem Wasser, von einem Schmetterling auf einem Blatt.
    Beweist das etwas? Ist es möglich einzuschlafen und zu träumen und dann in diesem Traum wieder einzuschlafen und einen weiteren Traum zu haben? Ist das möglich?«
    »Ich entwerfe Wasserhähne und Schreibtischutensilien.
    Psychologie ist nicht gerade mein Spezialgebiet.«
    »Das fällt eher in den Bereich der Neurologie. Ich kenne mich aus. Ich bin von einer Psychologin und einem Neurologen untersucht worden. Der Neurologe war der Einzige, der mir geglaubt hat. Wie auch immer, das ist meine Geschichte. Mir sind aus meinem Gehirn einige Daten abhanden gekommen, und nun klappere ich alle möglichen Leute ab, die mich wahrscheinlich für verrückt halten, und versuche die Lücken zu füllen. Gleichzeitig treffe ich alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen, um mich vor jemandem zu verstecken, der vermutlich überhaupt nicht nach mir sucht. Haben Sie das als Kind jemals gemacht? Man spielt mit einer Schar anderer Kinder Verstecken und sucht sich dabei ein äußerst schwieriges Versteck. Man bleibt eine Ewigkeit dort, anfangs mit einem Gefühl des Triumphes, dann zunehmend gelangweilt, bis einem schließlich klar wird, dass alle anderen das Spiel längst abgebrochen haben. Im Moment habe ich jedoch ein ganz anderes Gefühl: Ich plappere wie eine Wahnsinnige vor mich hin, und Sie stehen wie ein Fels in der Brandung da und kommen überhaupt nicht zu Wort. Sie wollten wissen, wo Jo ist, und Sie haben mich gefragt, was ich hier mache. Nun, ich weiß nicht, wo Jo ist, und ich weiß auch nicht, was ich hier mache. Nun haben Sie Ihre Antworten und können in Ihre Werkstatt zurückkehren.«
    Ben trat an den Tisch, nahm meine Tasse und ging damit zum Spülbecken. Er spülte erst meine, dann seine eigene ab und stellte sie auf das Abtropfgitter. Anschließend blickte er sich vergeblich nach einem Geschirrtuch um, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als das Wasser von seinen Händen zu schütteln.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie hier tun«, sagte er. »Ich

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