Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In seiner Hand

Titel: In seiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
weiß auch, wie Sie Jo kennen gelernt haben.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe sie Ihnen vorgestellt.«

    14
    Ich spürte eine Welle der Aufregung durch meinen Körper strömen, weil nun ein weiterer Teil meiner Terra incognita auf der Landkarte eingezeichnet war, doch dann wurde schnell ein schwindelerregendes Schlingern daraus.
    »Wovon sprechen Sie überhaupt? Warum hätten Sie das tun sollen? Als Sie vorhin an der Tür standen, schienen Sie das noch nicht zu wissen. Sie waren genau so perplex wie ich.«
    »Das stimmt«, räumte er ein. »Trotzdem muss es so gewesen sein.« Er schwieg einen Moment. »Können Sie sich allen Ernstes nicht daran erinnern, sie getroffen zu haben?«
    »Ich habe mir vorhin ein Video von Jo und mir angesehen, das wir gemeinsam aufgenommen haben müssen. Da scheinen wir uns gut verstanden zu haben. Ich mache einen sehr glücklichen Eindruck. Ich wünschte, ich könnte mich erinnern. Ich könnte ein paar glückliche Erinnerungen gebrauchen. Aber nein, es tut mir Leid, da ist überhaupt nichts. Wie ist es dazu gekommen, dass Sie uns einander vorgestellt haben? Aus welchem Grund?«
    Ben setzte zu einer Antwort an, zögerte dann aber. »Sie wissen nicht, ob Sie mir glauben sollen, stimmt’s?«, fuhr ich fort. »Na großartig! Die Polizei und die Ärzte glauben mir nicht, dass ich entführt worden bin, und nun glauben Sie mir nicht, dass ich das Gedächtnis verloren habe.
    Vermutlich werde ich bald Menschen kennen lernen, die nicht einmal glauben, dass ich Abbie Devereaux bin.
    Vielleicht bin ich es ja tatsächlich nicht. Vielleicht tue ich nur so. Womöglich handelt es sich dabei auch um eine Wahnvorstellung von mir. Möglicherweise bin ich in Wirklichkeit Jo und habe Halluzinationen von dieser Person namens Abbie.«
    Ben versuchte zu lächeln, wandte dann aber den Kopf ab, als wäre ihm das Ganze ziemlich peinlich.
    »Dann habe ich sie also am Montag kennen gelernt?«, fragte ich.
    »Am Dienstag«, antwortete er. »Dienstagvormittag.«
    »Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie gesagt, wir hätten uns am Montag getroffen. Ja, ich bin mir sicher, dass Sie Montag gesagt haben.«
    »Sie sind am Dienstag noch einmal gekommen«, entgegnete er vage. »Mit weiteren Fragen.«
    »Oh. Und da war Jo bei Ihnen in der Werkstatt?«
    »Wir sind einen Kaffee trinken gegangen, in einem Café nicht weit von hier, das Jo regelmäßig aufsucht. Sie war unterwegs zu einem Termin, glaube ich. Ich hab Sie mit ihr bekannt gemacht. Wir haben uns eine Zeit lang unterhalten, dann musste ich aufbrechen. Wenn Sie wollen, dass ich Ihr Gespräch mit Jo rekonstruiere, würde ich sagen, Sie haben ihr erzählt, dass Sie eine Bleibe brauchten. Bestimmt hat sie Ihnen daraufhin angeboten, hier bei ihr zu wohnen. Damit wäre eines der Rätsel gelöst. Da ist nichts Geheimnisvolles dran.«
    »Verstehe.«
    »Und jetzt glauben Sie, sie ist verschwunden.«
    »Ich habe es diesem Detective gesagt, den ich … den ich recht gut kenne. Er hält mich für verrückt. Natürlich glaubt er nicht wirklich, dass ich verrückt bin, sondern nur, dass ich mich irre. Ich hoffe, ich irre mich tatsächlich.
    Ich weiß nicht, was ich tun soll. Aus einem unerfindlichen Grund fühle ich mich für sie verantwortlich. Jedes Mal, wenn ich aufblicke und ihr Foto sehe, fühle ich mich schlecht, weil ich nicht mehr unternehme. Als ich in diesem Keller gefangen war, dachte ich die ganze Zeit daran, dass diejenigen, die ich kenne, meine Freunde, nach mir suchen würden, dass sie sich meinetwegen große Sorgen machen und alle Hebel in Bewegung setzen würden, und das half mir durchzuhalten. Wenn ich nicht ganz fest daran geglaubt, nicht das Gefühl gehabt hätte, in den Köpfen meiner Freunde präsent zu sein, dann hätte ich es bestimmt nicht geschafft. Und mit das Schlimmste an meiner Rückkehr war die Erkenntnis, dass kein Mensch mich auch nur für eine Sekunde vermisst hatte.«
    »Ich glaube …«, versuchte er mich zu unterbrechen.
    »Niemandem war aufgefallen, dass ich nicht mehr da war, und wenn es doch jemandem aufgefallen war, dann dachte sich der oder die Betreffende nicht viel dabei. Es war, als wäre ich unsichtbar geworden. Oder gestorben.
    Man kann ihnen das in keinster Weise zum Vorwurf machen, das ist mir völlig klar – sie sind gute Freunde, und ich glaube, sie mögen mich wirklich, und wahrscheinlich hätte ich mich an ihrer Stelle genauso verhalten. Ich würde es genauso wenig merken, wenn mal jemand ein paar Tage nicht da

Weitere Kostenlose Bücher