In sueßer Ruh
jung sterben würde, sofern er sich nicht an einen äußerst wohldurchdachten Plan hielt. Und heute würde er diesem Plan eine neue Wendung hinzufügen. Seine Haut prickelte, wenn er daran dachte, wie es sich anfühlen würde.
Davey zog seine leichte Sommerjacke aus und hängte sie an die Flurgarderobe. Er zog einen weißen Laborkittel über und ging durchs Wohnzimmer zu der Tür, die zum Keller führte. Er steckte den Schlüssel ins Schloss, den er in der Tasche des Laborkittels aufbewahrte, stieß die Tür auf und schlich die steile Holztreppe hinunter. Er bebte innerlich vor Furcht und Erregung, und sein Magen gluckerte vor Erwartung.
Er lächelte, als er die junge Frau auf dem Krankenhausbett in einer Ecke des makellosen, grell beleuchteten Raums liegen sah. Er hatte sich sein Labor, wie er es nannte, sehr sorgfältig eingerichtet, ein Ort für alles und alles an seinem Platz. Die Instrumente blitzten, das Metall war auf Hochglanz poliert. Die Bettwäsche war makellos und der Boden sauber gefegt.
»Hallo«, sagte er höflich. »Haben Sie gut geschlafen?«
Er nahm eine Zeitung vom Metalltablett neben ihrem Bett und hielt sie so, dass sie die Schlagzeile lesen konnte.
Van-Cortlandt-Vampir schlägt erneut zu
»Sehen Sie«, sagte er, »wir haben es auf die Titelseite geschafft.«
Er lächelte über die Todesangst in ihren Augen, zog die Gurte nach, die sie ans Bett fesselten, und überprüfte den Knebel in ihrem Mund. Der Knebel war eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme – der Raum war zuverlässig schallisoliert. Er ging zu der teuren Stereoanlage in der Ecke und legte eine CD ein. Er atmete tief ein, als die metallischen Eröffnungstakte der Gitarre den Raum erfüllten, und stand da und lauschte dem Text. Natürlich kannte er ihn auswendig, liebte es aber trotzdem, ihn zu hören.
The youth that time destroyed can live in me again
But I require blood – the time is coming when
I’ll come to you at night, as the owl hoots at the moon
I’ll be by your side to watch as you swoon
Mit einem mitfühlenden Lächeln näherte er sich seinem Opfer. »Keine Sorge, das wird nicht lange dauern«, sagte er besänftigend. Dann bemerkte er den dünnflüssigen gelben Fleck, der sich auf seiner weißen Bettwäsche ausbreitete. »Ach du liebe Zeit!«, sagte er und schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Jetzt sieh dir das nur an, du ungezogenes Mädchen – du hast dich nass gemacht.«
KAPITEL 56
Sie saßen im Veselka, als es passierte. Kathy hatte angerufen und gesagt, sie müsse mit ihm sprechen. Er wusste nicht mal, dass sie in der Stadt war, hatte aber eingewilligt, sie im Veselka zu treffen, dem legendären ukrainischen Schuppen im East Village, der rund um die Uhr geöffnet hatte.
»Die Sache ist die«, sagte Kathy und stocherte mit der Gabel in ihrem Muffin herum. »Ich habe irgendwie jemanden kennengelernt.«
Die Worte waren wie ein Paukenschlag, ein Schlag in die Magengrube, ein Riss im Raum-Zeit-Gefüge. Unfähig zu einer Reaktion, saß Lee da und starrte wie ein Idiot auf die Croûtons, die in seiner Suppe schwammen. Er zwang sich aufzusehen, doch sie wich seinem Blick aus.
»Nicht, dass es was Ernstes wäre – ich meine, ich hab ihn gerade erst kennengelernt.«
Sein Kiefer fühlte sich an wie eingerostet. Jetzt zwang er seinen Mund dazu, sich zu bewegen.
»Aber … du magst ihn.«
»Ja, irgendwie.«
»Du möchtest also, dass wir uns – trennen?« Wir. Seltsam, dachte er. Zuerst gab’s ein Wir und jetzt nicht mehr.
Sie betrachtete eindringlich ihre Nägel, die kurz, gerade und alle gleich lang waren. Das war ihm noch nie aufgefallen, aber jetzt kam es ihm irgendwie zwanghaft vor. Viel zu sauber, viel zu gepflegt. Das war ihr Problem: Sie war so verdammt systematisch in allem.
»Hör zu«, sagte sie.
»Nein, hab schon kapiert«, sagte er. »Du willst andere Leute treffen.«
»Nicht andere Leute –«
»Ah, richtig, nur ihn.« Er kam sich kleinlich und schäbig vor – und genoss ihren verwunderten Blick. Gut, prima, dachte er. Steck nur ein. Du kannst ja auch ganz schön austeilen.
»Ich weiß nicht, was ich will!«, stöhnte sie. »Es ist nur so – bei dir habe ich das Gefühl, da sind überall diese Landminen, vor denen ich Angst habe draufzutreten.«
»Verstehe«, sagte er kühl. »Gut, also wenn du weißt, was du willst, dann ruf mich einfach an, ja?«
Er stand auf und warf dabei seinen Stuhl um, machte sich aber nicht die Mühe, ihn wieder aufzustellen, sondern ließ ihn liegen wie
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