in tausend Noeten
wurde die Klasse ordentlich rangenommen. Da erging es ihnen nicht besser als den übrigen Klassen. Während der Wochen auf Funkelstein waren die Zügel manchmal doch recht locker gelassen worden. Nun musste ein schnelleres Tempo angeschlagen werden, um das Versäumte nachzuholen. In der vierten Klasse wurde ohnehin mehr verlangt. Mamsell quälte sie unerbittlich mit schwierigen Übersetzungen. Sie ruhte nicht eher, bis auch Elli und Doris, die Schwächsten der Klasse, die Aufgaben tadellos ablieferten. Entzückt war sie eines Tages von Grit. Es stellte sich heraus, dass Grit fließend französisch sprechen konnte.
„Wo hast du das gelernt, meine Liebe?“, fragte Mamsell.
Die Klasse horchte auf. Würden sie bei dieser Gelegenheit endlich einmal etwas über Grits Vergangenheit erfahren? Aber nein – blutrot stand das Mädchen da und stotterte dann: „Zu Hause. Wir haben oft französisch gesprochen.“ Mehr bekam Mamsell nicht aus ihr heraus, obwohl sie recht neugierig war und immer wieder versuchte, etwas zu erfahren. Grit tat es aber gut, dass sie jetzt auch in einem Unterrichtsfach glänzte, nicht bloß im Sport. Weil die Zwillinge und Hilda ihr halfen, kam sie in den übrigen Fächern ebenfalls besser voran. Sie blieb freilich still, meldete sich kaum und wirkte nach wie vor sehr scheu.
Andrea hatte sich ebenfalls nicht geändert. Sie war und blieb der Star ihres Gefolges und sie blieb faul. So stinkfaul, dass die anderen sich manchmal über sie ärgerten. Sie bekam deshalb ständig Vorwürfe von den Lehrerinnen zu hören. Aber wenn sie Strafarbeiten machen sollte, vergaß sie das. Es machte noch nicht einmal Eindruck auf sie, als Frau Theobald sie zu sich rufen ließ und mit ihr redete.
„Da seht ihr es“, hieß es dann wieder, „sie muss wirklich eine Prinzessin sein, weil sie es gar nicht nötig hat zu lernen.“
„Eine komische Auffassung“, brummte Bobby. „Eurer Meinung nach ist Dummheit ein Vorrecht von Prinzessinnen. Dann haben wir noch ein paar mehr von der Sorte in Lindenhof.“
Mit Mamsell hatte Andrea einen gewaltigen Krach. „Méchante fille!“, schrie die temperamentvolle Lehrerin erbost. Zum Glück verstand Andrea gar nicht, dass sie als „boshaftes Mädchen“ bezeichnet wurde. Sie lieferte die Strafarbeit nicht ab, zu der Mamsell sie verdonnerte, sie erschien auch nicht, um eine Extrastunde nachzusitzen, und am Schluss gab die Lehrerin sie völlig auf. Das war bei ihr noch niemals vorgekommen. Die Klasse staunte.
„Gewiss hat Frau Theobald ihr einen Wink gegeben, dass sie Andrea so etwas nicht zumuten darf“, sagte die unbelehrbare Elli und sie fuhr fort, ihre Prinzessin zu hofieren.
Andrea war noch nicht einmal erstaunt über die Ergebenheit ihrer paar Getreuen. Sie lieh sich deren Hefte aus, um Aufgaben abzuschreiben, und sie schickte sie zu kleinen Einkäufen. Mit freundlichem Lächeln und einem huldvollen: „Wie lieb von dir – danke“, belohnte sie jeden Dienst. Manchmal kam Post für sie und ihre Anhängerinnen rissen sich förmlich darum, ihr die Briefe zu bringen, die meist ausländische Marken und Stempel trugen. Doch sie erfuhren nichts. Andrea steckte die Briefe ein, dankte und ging weg.
Und dann tauchte eines Tages noch eine Neue in Lindenhof auf: Dany Lucius. Sie kam nicht in die Vierte, sondern in die Fünfte. Aber weil das dritte Bett bei Grit und Andrea noch frei war, musste sie zu ihnen ziehen.
Dany war ein komisches Mädchen. „Hallo, ihr Lieben“, so führte sie sich ein. „Ich höre, ihr habt in eurem Zimmer noch Raum für ein armes zugereistes Menschenkind. Darf ich hoffen, dass ich Gnade vor euren Augen finde?“
„Red nicht so viel“, unterbrach Andrea Danys Frotzeleien. „Erzähl lieber, wieso du jetzt erst auftauchst, fast acht Wochen nach Schulbeginn.“
„Ach, das ist eine lange Geschichte“, antwortete Dany. „Sie wird euch unwahrscheinlich vorkommen, obwohl ich sie mit zahlreichen Zeitungsberichten beweisen kann.“
„Nun schieß schon los“, sagte Andrea ungeduldig.
Da klopfte es. Elli erschien. Sie war neugierig, was diese Neue wohl für ein Mensch war. Außerdem hatten die Zwillinge sie gebeten, Grit zu ihnen zu schicken.
Grit ging sofort, sie war nicht begierig, Danys Geschichte zu hören. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Andrea: „Gut, dass sie draußen ist. Ich war ihretwegen heute bei der Hausmutter und habe mich beschwert. Dir sage ich es gleich, Dany: Sie lässt einen nicht in Ruhe
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