In tiefster Dunkelheit
erklärte Lori. »Es tut mir leid, dass wir Sie so früh am Morgen stören.«
Annette brachte ein leichtes, müdes Lächeln zustande. »Entschuldigen Sie sich nicht. Ich bin dankbar für jede neue Information. Ich will, dass Sie meine Tochter finden. Nichts, was für die Suche nach ihr notwendig ist, kann uns lästig sein.«
Mr Denton setzte sich neben seine Frau und zeigte auf die beiden Stühle gleich neben ihnen.
»Hat Ihre Tochter einen Freund, Bekannten oder Verwandten namens Tim?«, fragte Harper. »Es könnte jemand Unbedeutendes sein, jemand, den sie zufällig getroffen hat, als sie Kleider von der Reinigung abholte, Milch einkaufte oder in ihrem Lieblingsrestaurant aß.«
Nachdem sie angemessen lange überlegt hatte, schüttelte Annette den Kopf. »Mir fällt niemand ein.«
Als Mr Denton nichts sagte, wandte Harper sich direkt an ihn: »Und Sie, Sir?«
Denton schüttelte den Kopf. »Wir haben Ihnen bereits eine vollständige Liste der Freunde und Verwandten zur Verfügung gestellt. Burnett hat sie. Warum hat der Sie beide geschickt, um noch einmal danach zu fragen?« Er warf seiner Frau einen wütenden Blick zu. »Ich wusste, dass wir uns nicht auf ihn verlassen können. Wir hätten diesen Privatermittler beauftragen sollen, so wie ich es vorgeschlagen habe.«
Der gequälte Ausdruck auf dem Gesicht seiner Frau ging Lori nahe. »Sir, ich bin sicher, so jemand könnte auch nichts anderes tun als wir.« Als Denton sie böse anfunkelte, erwiderte sie seinen Blick mit gleicher Intensität. »Chief Burnett hat eine der besten Fallanalytikerinnen des FBI hinzuziehen können. Sie hat bereits neue Erkenntnisse gewonnen, auf deren Grundlage wir unsere Ermittlungen vertiefen.« An Mrs Denton gewandt fügte sie hinzu: »Wir werden Ihre Tochter finden.«
Die Befragung dauerte noch einige Minuten, in denen Lori erneut die Fragen durchging, die schon beim ersten Mal gestellt worden waren. Keine neuen Antworten. Sie fürchtete, dass das bei den meisten der zu Befragenden der Fall sein würde, die auf der Liste standen. Doch auch der kleinste neue Hinweis würde die Mühe lohnen.
Harper schwieg, als sie wegfuhren. Offenbar beschäftigte ihn etwas. Lori spürte, wie es in ihm gärte. Sie wartete. Er sagte immer noch nichts.
»Was ist?«, fragte sie.
»Du hast der Frau ein Versprechen gegeben«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Ich habe nicht gesagt, dass wir sie lebend finden.« Sie verzog das Gesicht bei diesen Worten. Gott, die Vorstellung, eines oder mehrere dieser Mädchen tot vorzufinden, war furchtbar, aber mit jeder Stunde, die verging, wuchs die Wahrscheinlichkeit. Vielleicht hätte sie es nicht sagen sollen, aber die Familien brauchten etwas, an dem sie sich festhalten konnten.
»Aber wir werden sie lebend finden.« Harper bremste an einer roten Ampel. Ihre Blicke begegneten sich. »Ich weigere mich, etwas anderes zu glauben.«
»Warum wirfst du mir dann vor, dass ich dieses Versprechen gegeben habe?« Was wollte er von ihr? Und warum, verdammt, hatte sie sich in seiner Nähe nicht im Griff?
»Es dir zu sagen ist etwas anderes, als wenn ich es zu der Familie des Opfers sage.«
»Okay, okay, hab’s verstanden.« Sie musste noch viel lernen, das gab Lori gerne zu. In Wahrheit war dieser Fall auf der emotionalen Ebene der härteste, an dem sie je gearbeitet hatte. Er musste einfach gut enden. »Glaubst du wirklich, dass wir sie lebend finden?«
»Wenn man nur stark genug an etwas glaubt«, sein Blick und der Klang seiner Stimme hinderten sie daran, wegzuschauen, »passiert es auch.«
Antwortete er auf ihre Frage oder sprach er von der Beziehung mit ihr, die er um jeden Preis wollte? Sie wollte ihn warnen, dass sie sich nicht drängen ließ, brachte es dann aber nicht über sich. Ob er nun von dem Fall sprach oder über sie, es war nicht sein männliches Ego, das aus ihm sprach … nein, er meinte, was er sagte, und was er sagte, kam von Herzen.
Lori steckte in ernsthaften Schwierigkeiten.
9
Tuscaloosa, 12:00 Uhr
Jess ließ den Blick über den Trailerpark schweifen, während Dan an die Tür des kleinen Wohnwagens klopfte, den Kelli Moran gemietet hatte. Den schäbigen Gärten und heruntergekommenen Fertighäusern nach zu urteilen, die die schmale Straße säumten, war das Gründungsdatum 1968, das auf dem Schild am Eingang von Shady Court stand, keine bloße Prahlerei. Sie bezweifelte, dass man wegen der privilegierten Wohnlage hierher zog. Laut Dan war die Anzahl erfolgreicher Drogenrazzien bei
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