In tiefster Dunkelheit
aber sie ignoriert sie total.«
»Glauben Sie, dieser andere Junge ist der Grund? Oder ihre Arbeit am College?« Es war nicht so, dass Jess nicht akzeptieren konnte, dass Dana keine Liebelei hatte. Immerhin schien das, abgesehen vom Alter, so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit zwischen den Mädchen zu sein. Aber was taten Dana und die anderen den ganzen Sommer lang, wenn sie nicht am College waren? Es handelte sich um neunzehn- und zwanzigjährige Frauen, Herrgott noch mal, rein biologisch gesehen mussten ihre Hormone doch verrücktspielen.
»Bis vor ein paar Wochen dachte ich noch, es wäre das Studium. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.«
Jess legte Stift und Notizblock weg. »Danke, Amy, dass Sie mit mir geredet haben. Ich weiß, dass Sie bei der Polizei schon eine Aussage gemacht haben, aber ich wollte persönlich mit Danas bester Freundin sprechen.« Und sie wollte sich den Vater, Tim, genauer ansehen.
»Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, egal was, von dem Sie meinen, es könnte weiterhelfen, dann lassen Sie es mich bitte wissen.«
Amy nickte, und die Tränen begannen wieder zu fließen. Ihre Mutter zog sie an sich und drückte sie.
Jess stand auf und schwang sich die Tasche über die Schulter. »Danke, Mr und Mrs Porter, dass Sie Zeit für mich hatten.«
Der Vater begleitete Jess zur Tür. Draußen standen Burnett und Wells und hielten eine Konferenz ab, die, vermutete sie, extra so getimt war, dass sie nicht daran teilnehmen konnte. Wenn er Wells auf Spears ansetzte, würde Jess ihm die Meinung geigen. Sie brauchten alle verfügbaren Leute bei diesem Fall. Für Extratouren war da keine Zeit.
Die unheimliche Nachricht von gestern Nacht bedeutete nichts, außer dass Spears weiterhin Spielchen mit ihr spielte.
Oder Burnett war dahintergekommen, dass Jess Wells überredet hatte, einen Kollegen aus ihrem Revier zu bitten, heute die Überwachung von Dr. Sullivans Haus zu übernehmen. Der Mann war nicht im Dienst, und was er in seiner Freizeit machte, ging Burnett gar nichts an. Der Cop wollte es zum Detective schaffen und war gerne bereit gewesen, Wells einen Gefallen zu tun.
Nachdem sie sich vor der Haustür verabschiedet hatte, zögerte Jess noch einmal. »Mr Porter, Sie arbeiten in Tuscaloosa, ist das richtig?« Sie studierte sein Gesicht, suchte nach dem leisesten Zucken.
»Ja, das stimmt.« Sofort erschien Argwohn in seinem Gesicht, als wunderte er sich, warum sie diese Frage stellte.
»Haben Sie je im Roll Tide Sandwich Shop in der Nähe des Campus zu Mittag gegessen? Es ist ziemlich bekannt.« Und außerdem hatte Reanne Parsons bis zu ihrem Verschwinden dort sechs Tage die Woche gearbeitet.
»Ich weiß, welchen Sie meinen«, sagte er vorsichtig, »da habe ich nie gegessen, nein.«
»Ich frage«, erklärte Jess, »weil eines der anderen verschwundenen Mädchen dort gearbeitet hat. Ich suche nach einer Verbindung zwischen den Mädchen und ihren Familien. Falls Ihnen noch etwas einfallen sollte, etwa dass Ihre Firma sich von diesem speziellen Sandwich-Shop mal hat beliefern lassen oder vielleicht, dass Reanne die Lieferung ausgeführt hat, kontaktieren Sie bitte das Büro des Chiefs oder mich direkt.« Sie zog Reannes Foto aus der Tasche. »Sie haben sicher ihr Foto in den Nachrichten gesehen, aber nur für den Fall, dass nicht.« Sie zeigte ihm das Gesicht des vermissten Mädchens.
Er betrachtete das Foto lange ohne eine sichtbare Regung. »Es tut mir leid. Ich bin mir sicher, dass ich sie noch nie gesehen habe, aber ich frage mal im Büro herum.«
»Danke,
Tim
.« Sie ging die Treppe hinunter, zögerte aber noch einmal, als sie unten am Weg ankam. »Es ist sicher nur ein Zufall.« Sie schüttelte den Kopf und gab ein müdes Schnauben von sich, das nicht wirklich ein Lachen war.
»Was ist Zufall, Agent Harris?«
Tim Porter stand reglos wie eine Statue da, das Gesicht blasser als zuvor. Er mochte keine Verbindung zu Reanne haben, aber es gab etwas in seinem Leben, was ihm Angst machte. Seine Sorge, was sie als Nächstes sagen würde, war so deutlich zu sehen wie eine blinkende Warnleuchte.
»Die letzte Person, die Reanne gesehen hat, heißt Tim.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist ein sehr verbreiteter Name. Es ist mir nur aufgefallen.« Sie schenkte ihm ein breites Lächeln. »Danke noch mal.«
Er starrte ihr nach, als sie ihn an der Tür zurückließ. Gut, wenn er sich fragte, ob er sich wegen irgendetwas Sorgen machen musste. Vor allem aber wollte sie ihn aufschrecken.
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