In Todesangst
Haar umgebracht.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Er hat sie im Auto vergessen, obwohl es draußen brüllend heiß war.«
»Hat Patty Ihnen das erzählt?«
»Ja.«
»Der verdammte Schwachkopf! Na schön, im Zweifelsfall für den Angeklagten, aber die Geschichte stank doch zum Himmel. Unsere Ehe stand zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon ziemlich auf der Kippe, aber das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ich hatte die Nase gestrichen voll von ihm, und er hat dann seine Sachen gepackt.«
»Das tut mir leid«, sagte ich.
»Ach, was.« Sie winkte ab. »Ohne ihn war ich sowieso besser dran. Außerdem verdienten wir beide damals ziemlich gut. Ich arbeitete bei einer Firma für Kunststoffverarbeitung, und Ronald war bei Sikorsky, finanziell lief also alles bestens. Er schickte sogar den einen oder anderen Scheck, aber er war nicht mit dem Herzen dabei – Patty war eben nicht seine richtige Tochter. Während ich mir immer wieder wünschte, einen Mann an meiner Seite zu haben, der Patty ein echter Vater sein konnte. Du meine Güte, ein Kind braucht Eltern – richtige Eltern, die sich um ihr Kind kümmern, verstehen Sie?«
»Nur allzu gut«, sagte ich.
»Jedenfalls begann ich mich zu fragen: Wer ist Pattys richtiger Vater? Was für ein Mensch ist er? Würde es ihm nicht gefallen, seine Tochter kennenzulernen, ja, würde er sich nicht vielleicht sogar in seine Kleine verlieben und für sie sorgen wollen?« Sie griff über den Wohnzimmertisch und strich über meine Hand. »Haben Sie sich nie gefragt, ob da draußen nicht irgendwo ein Kind herumläuft, das von Ihnen stammt? Wollten Sie nie wissen, wie es aussieht? Haben Sie sich nie gefragt, ob das womöglich Ihr Sohn sein könnte, wenn Sie irgendeinen Jungen im Supermarkt gesehen haben?«
Ich brauchte einen Moment, ehe ich meine Stimme wiedergefunden hatte. »Ja«, sagte ich. »Manchmal schon.«
»Und? Wollten Sie nichts Genaueres wissen?«
»Na ja«, erwiderte ich. »Vielleicht. Aber … Ich weiß nicht genau, wie ich es sagen soll … Natürlich macht man sich manchmal solche Gedanken, aber wenn man sich vor Augen führt, welche Verpflichtungen auf einen zukommen würden …« Ich hielt kurz inne, ehe ich fortfuhr. »Aber am Ende war es eben doch nur eine Möglichkeit, ein paar Dollar dazuzuverdienen, um am Wochenende ein Bierchen mehr zischen zu können. Die Tragweite solcher Dinge wird einem erst viel später klar.«
»Haben Sie je mit Ihrer Frau darüber gesprochen? Dass es vielleicht noch mehr Kinder geben könnte, die von Ihnen stammen?«
»Nein«, antwortete ich. »Nie.«
»Tja«, sagte sie. »Pausenlos habe ich darüber nachgedacht, wer Pattys leiblicher Vater sein könnte. Ja, ich habe davon geträumt, dass ich Sie finde, dass Sie sich in mich und Ihre Tochter verlieben, so wie im Film. Eine Freundin gab mir schließlich die Adresse eines Privatdetektivs. Denton Abagnall hieß er. Anfangs zögerte ich, aber dann wandte ich mich doch an ihn. Erst sagte er, die Chancen stünden schlecht, da es solche Kliniken mit der Vertraulichkeit sehr genau nehmen, aber als ich ihm das Formular mit den Informationen über Sie zeigte, meinte er, es ließe sich vielleicht doch etwas machen – im Ausschlussverfahren, wie er es nannte. Zunächst besorgte er sich eine Liste mit den Namen aller Studenten, die in den Jahren zuvor das College besucht hatten, und suchte nach jemandem, der neunzehn gewesen war, als er seinen Vater verloren hatte – der wiederum zu jenem Zeitpunkt, wie wir wussten, siebenundsechzig gewesen war. Und als Mr Abagnall Sie schließlich ausgesiebt hatte, war es ein Klacks, Sie aufzustöbern. Sie arbeiteten damals bei dem Toyota-Händler, den ich schon vorhin erwähnt hatte. Er hat Sie aufgesucht, so getan, als würde er sich für ein Auto interessieren, und Sie haben ihm Ihre Visitenkarte gegeben, sogar eine mit einem Foto drauf. Und in dem Moment, als ich Ihr Gesicht gesehen habe, wusste ich Bescheid.«
Patty und ich sahen uns ähnlich? Das war mir gar nie aufgefallen, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich – zumindest unterbewusst – eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihr und Syd bemerkt hatte. Die Art, wie sie die Augenbrauen hochzogen oder die Nase rümpften.
»Mr Abagnall schrieb einen ausführlichen Abschlussbericht, in dem natürlich auch stand, dass Sie verheiratet waren und selbst eine Tochter hatten. Und in dem Moment platzte die ganze Seifenblase, der hübsche Tagtraum, dem ich mich hingegeben hatte. Mir war
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