In tödlicher Gefahr
Sie wirkte heute größer, und als er auf ihre Füße sah, wusste er auch, warum. Sie trug hochhackige Schuhe. Trotzdem bewegte sie sich mit einer Geschmeidigkeit durch die Küche, als trüge sie Laufschuhe.
„Sie sehen wunderbar aus“, sagte er schließlich, als sie auf ihn zukam.
Abbie blickte an sich hinab auf die fleckige Schürze. „Finden Sie wirklich?“
„Hör auf, den Mann zu necken, und setzt euch in Bewegung“, tadelte Brady und nahm einem Kellner einen Auftragszettel ab. „Ihr steht im Weg.“
„Schon gut, schon gut.“ Sie band soeben die Schürze ab, als Marsha, die hübsche Hostess des Campagne, mit geröteten Wangen und vor Aufregung leuchtenden Augen hereinkam.
„Ihr werdet nie erraten, wer da ist!“
„Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal.“ Abbie warf ihre Schürze beiseite und nahm eine kleine Unterarmtasche vom Stuhl. „Ich bin weg.“
„Archibald Gunther.“
Plötzlich war es still. Alle, Abbie und Brady eingeschlossen, schienen wie in Trance erstarrt zu sein.
Abbie erholte sich als Erste. „Bist du sicher?“ Sie eilte bereits zu den Doppeltüren und spähte in den Speiseraum.
„Er nannte seinen Namen und sagte, er habe nicht reserviert.“
„Ich sehe ihn nicht.“
„Ich habe ihn an Tisch zwei gesetzt.“
John beugte sich zu Brady herüber und flüsterte: „Wer ist Archibald Gunther?“
„Bloß der berühmteste Restaurantkritiker des Landes“, flüsterte Brady zurück. „Früher schrieb er für die
New York Times
. Inzwischen arbeitet er freiberuflich und hat eine wöchentliche Kolumne, die in über hundert Zeitungen erscheint. Er reist ständig durchs Land und bewertet nur Restaurants, die er seiner Beachtung für würdig hält, nie solche, die von begeisterten Lesern empfohlen werden.“ Brady betonte seine Worte mit einem verächtlichen Schnauben. „Der ist total von sich überzeugt. Wenn ihm ein Lokal nicht gefällt, ist seine Kritik vernichtend und unglaublich rüde. Manche Leute behaupten, er wolle vor allem Restaurants ruinieren, statt die Öffentlichkeit über herausragende Speiselokale zu informieren.“
„Und warum möchte sich irgendwer von diesem Windbeutel bewerten lassen?“
„Wenn ihm ein Restaurant gefällt, was gelegentlich passiert, macht er einen genauso schnell zum Star, wie er einen andernfalls in der Versenkung verschwinden lassen kann. Für viele, Abbie eingeschlossen, ist es das Risiko trotzdem wert.“
„Ich glaube, dass ich ihn nicht mag.“
Brady lachte. „Und ich weiß genau, dass ich ihn nicht mag. Aber zugleich muss ich mich sehr beherrschen, nicht vor Freude einen Luftsprung zu machen, dass der große Archibald Gunther heute Abend hier ist und essen wird, was ich für ihn koche. Ich bin begeistert und gleichzeitig fast wahnsinnig vor Angst. Ist das nicht verrückt?“
John warf einen Blick zu Abbie und bemerkte, dass sie ebenfalls diese Mischung aus Angst und Begeisterung empfand. Ihre Wangen waren gerötet, und sie packte einen Kellner, der soeben aus dem Speisesaal kam, am Arm.
„Jim, Sie haben Tisch zwei, richtig?“
Der Kellner nickte. „Marsha hat mir gerade gesagt, wer gekommen ist. Meine Güte, Abbie, ich kann es nicht glauben. Archibald Gunther.“ Er sprach den Namen so ehrfürchtig aus, dass John fast lachen musste. Sein Verstand riet ihm allerdings, es zu unterlassen.
„Lass ihn nicht warten“, mahnte Abbie und winkte ihn hinaus. „Sei natürlich, okay? Sprich ihn mit Namen an, da er ihn Marsha genannt hat, aber übertreib nicht. Behandele ihn so wie alle anderen auch.“
„Aber er ist nicht wie alle anderen. Er ist …“
„Archibald Gunther, ja, ich weiß. Trotzdem behandeln wir ihn wie einen Normalsterblichen und nicht wie einen Gott. Und nun los.“
Nach einigen Sekunden wandte sie sich an John, der seinen romantischen Abend dank Archibald Gunther bereits abzuschreiben begann.
„John …“
Er kam ihr galant zu Hilfe. „Ich weiß, Sie müssen bleiben. Das verstehe ich.“
„Es macht Ihnen nichts aus?“
„Das habe ich nicht gesagt. Eigentlich bin ich nur so weit davon entfernt …“, er zeigte das winzige Stück mit Daumen und Zeigefinger, „da hinauszugehen und dem berühmten Archibald Gunther eins auf die Nase zu geben.“
Abbie verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. „Der wiegt an die dreihundert Pfund.“
John erwiderte lächelnd: „Als könnte mich das abhalten.“
Sie lachte und entspannte die Schultern. „Ich mache es wieder gut. Versprochen.“
„Ich werde
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