In tödlicher Gefahr
hätten bereits ein Straßenhockeyspiel mit Freunden abgesagt. Die gehen nirgendwohin.“ Sie war zu klug, um sich bei seinen Fragen nicht ihre Gedanken zu machen. „Ist wieder ein Junge verschwunden, John? Geht es darum?“
Er hörte ihre Anspannung und wollte um seines Sohnes willen keinen Streit. „Ja, aber sag Jordan nichts. Der Vermisste ist ein Freund von ihm. Ich möchte es ihm selbst mitteilen. Ist es okay, wenn ich nach dem Dinner vorbeikomme?“
„Natürlich. Du kannst mit uns essen, wenn du möchtest. Ich nehme unterwegs ein Hühnchen mit.“
Einen Augenblick zögerte er. Es wäre gut, eine Stunde mit Jordan zu verbringen und ihn auf die Nachricht vorzubereiten. „Ich komme. Danke, Clarice.“
„John?“
„Ja?“
„Machst du dir wirklich Sorgen um Jordan? Ich meine … müssen wir besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen?“
„Es könnte nicht schaden, ihn einige Tage genauer im Auge zu behalten, bis ich weiß, was mit dem verschwundenen Jungen passiert ist. Wenn das ein Problem für dich ist, kann ich …“
„Nein, kein Problem“, entgegnete sie rasch. „Ich treffe die notwendigen Vorkehrungen.“
„Dann sehen wir uns heute Abend. Etwa gegen halb sieben?“
„Ja, in Ordnung.“
Er beendete das Gespräch und bog auf den Parkplatz der Princeton Elementary ein.
Brady hatte Claudia informiert, die eine halbe Stunde später im Restaurant war. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Sie umarmte Abbie fest. „Vertraue John. Er wird Ben finden.“ Sie stellte einen Wasserkessel auf den Herd und machte die Flamme an. „Hast du von Jack gehört?“
Abbie nickte. „Er will Hawaii mit der nächsten Maschine verlassen.“
Claudia machte Tee, ihr Allheilmittel gegen alles von Rückenschmerzen bis zu Panikattacken. Schweigend tranken sie und zuckten bei jedem Klingeln des Telefons zusammen. Brady machte freiwillig Telefondienst und nahm die Reservierungen in letzter Minute für das Restaurant entgegen oder die Anrufe besorgter Mütter, die sich nach Ben erkundigten.
Nach einer Weile fragte er Abbie: „Wie hast du dir das heute Abend gedacht? Wir sind voll ausgebucht. Aber wenn du möchtest, kann ich allen Gästen wegen eines unvorhergesehenen Notfalls absagen. Sie werden es verstehen.“
Ja, das Restaurant. Sie saß hier in ihrer vertrauten Küche und hatte nicht mehr darauf geachtet, was um sie herum geschah. Abbie zwang sich, an ihre Arbeit zu denken. „Nein, wir öffnen. Falls du alles ohne meine Hilfe machen kannst.“
„Natürlich.“
Später im Bad spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und betrachtete sich im Spiegel. Sie sah aus, als hätte sie tagelang nicht geschlafen. Ihr Haar war zerzaust, das Gesicht aschfahl, die Lippen blutleer, und die Augen hatten einen wilden, gehetzten Ausdruck. Eine Weile stand sie nur da und hielt sich am Rand des Waschbeckens fest.
Ben wird vermisst. Ben wird vermisst!
Das Mantra hatte sich verändert. Verzweiflung drohte sie zu übermannen. Sie fürchtete, jeden Moment zusammenzubrechen, aber wem nützte das?
Als sie in die Küche zurückkehrte und aus dem Fenster sah, entdeckte sie zwei Männer mit Handschuhen und Plastikbeuteln, die über den Parkplatz gingen, die Blicke zu Boden gerichtet. Sie wäre gern hinausgegangen, um sich zu erkundigen, ob sie etwas Nützliches gefunden hatten, doch das wäre sinnlos. Sie würde nur im Weg stehen und keine Auskunft erhalten. So blieb sie am Fenster und sah ihnen zu, bis sie in ihrem Polizeivan verschwanden.
Um fünf kehrte ihr Personal zurück. Flüsternd erkundigten sich alle bei Brady, ob es Neuigkeiten gab. Da er den Kopf schüttelte, ging jeder an seinen Arbeitsplatz.
Als John kam, marschierte Abbie gerade unruhig zwischen Küche und Wirtschaftsraum hin und her. Fast hätte sie ihn angeschrieen: Hast du ihn gefunden?
Doch sie sah ihn nur eindringlich an und betete um gute Nachrichten, um eine kleine Spur, einen Hinweis, wer Ben mitgenommen hatte, etwas, an dem sie sich festhalten könnte und das die Suche nach dem Jungen einfacher machte.
Johns ernste Miene machte ihre Hoffnung zunichte. „Lehrer und Schüler bestätigen nur, was Jimmy Hernandez bereits gesagt hat. Derjenige, der am Steuer deines Wagens gesessen hat – und alle glaubten, du seist es gewesen –, betätigte die Hupe. Ben hörte es, sah den Wagen und lief los.“
„Und er ist eingestiegen?“ fragte Abbie entsetzt. „Nachdem er gemerkt hat, dass ich es nicht bin?“
„Wie es scheint, hatte er nicht viel Zeit,
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