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In Tödlicher Mission

In Tödlicher Mission

Titel: In Tödlicher Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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würde zu seiner Kleidung passen, der Stamm war dick genug und der Baum stand ein wenig zurückgesetzt hinter einer Reihe Fichten. Stehend würde er von dort aus das Haus und den See überblicken können. Bond stand eine Weile lang da und plante seine Route durch das dichte Gras und die Goldrute auf der Weide. Er würde langsam auf dem Bauch vorwärtsrobben müssen. Eine leichte Brise kam auf und wehte über die Weide. Wenn sie doch nur weiterwehen und so sein Vorankommen verbergen würde!
    Irgendwo ganz in der Nähe am Waldrand links von Bond knackte ein Zweig. Das Geräusch erklang sehr deutlich, dann war es wieder still. Bond ließ sich auf ein Knie herunter, spitzte die Ohren und schärfte all seine Sinne. Er verharrte ganze zehn Minuten lang in dieser Position, ein regloser brauner Schatten vor dem breiten Stamm der Eiche.
    Vögel und andere Tiere zerbrachen keine Zweige. Totes Holz musste für sie eine deutliche Gefahrenquelle sein. Vögel ließen sich niemals auf Zweigen nieder, die unter ihnen zusammenbrechen würden, und selbst ein größeres Tier wie ein Hirsch mit einem Geweih und vier Hufen konnte sich in einem Wald sehr leise bewegen, sofern er nicht gerade auf der Flucht war. Hatten diese Leute doch Wachen aufgestellt? Bond nahm vorsichtig das Gewehr von seiner Schulter und legte seinen Daumen auf die Sicherung. Falls diese Leute noch schliefen, würden sie einen einzelnen Schuss von hoch oben im Wald vielleicht als den eines Jägers oder Wilddiebes einordnen. Doch dann kamen zwischen ihm und der Stelle, an der der Zweig zerbrochen war, zwei Rehe aus ihrer Deckung hervor und trabten ohne Eile nach links über die Weide. Sie hielten zwei Mal an und schauten sich um, aber jedes Mal rupften sie ein Maul voll Gras ab, bevor sie in das ferne Gebüsch des niedrigeren Waldes weiterzogen. Sie zeigten weder Furcht noch Eile. Zweifellos hatten sie den Zweig zerbrochen und das Geräusch verursacht. Bond atmete erleichtert aus. So viel dazu. Und nun musste er die Weide überqueren.
    Ein vierhundertfünfzig Meter weiter Kriechmarsch durch hohes, schützendes Gras ist eine langwierige und anstrengende Angelegenheit. Er beeinträchtigt Knie, Hände und Ellbogen, man sieht nichts außer Gras und Blumenstängeln, und Staub und kleine Insekten gelangen in Augen, Nase und Kragen. Bond konzentrierte sich darauf, seine Hände richtig zu platzieren und ein langsames, gleichmäßiges Tempo beizubehalten. Die Brise hatte nicht nachgelassen und sorgte dafür, dass man die Spur, die er im Gras hinterließ, vom Haus aus nicht sehen konnte.
    Von oben sah es so aus, als wäre ein großes, am Boden lebendes Tier – vielleicht ein Biber oder ein Murmeltier – auf dem Weg hinunter zur Weide. Nein, ein Biber würde es nicht sein. Die tauchten immer in Paaren auf. Aber vielleicht könnte es doch ein Biber sein – denn nun bewegte sich von weiter oberhalb der Weide noch etwas oder jemand anderes ins hohe Gras, und schräg hinter Bond zog sich nun eine zweite Spur durch das Meer aus langen Halmen. Es sah so aus, als würde sich dieses geheimnisvolle Etwas langsam an Bond heranschleichen und als würden die beiden Spuren an der nächsten Baumreihe aufeinandertreffen.
    Bond kroch und robbte stetig voran und hielt nur von Zeit zu Zeit inne, um sich den Schweiß und den Staub vom Gesicht zu wischen und sicherzugehen, dass er nach wie vor auf den Ahorn zuhielt. Doch als er so nah an der Baumgrenze war, dass man ihn vom Haus aus nicht mehr sehen konnte und ihn nur noch etwa sechs Meter von dem Ahorn trennten, hielt er an, lag eine Weile lang einfach nur da, massierte seine Knie und lockerte seine Handgelenke für die letzte Etappe.
    Er hatte kein warnendes Geräusch vernommen, und als nur ein paar Meter links von ihm das leise, bedrohliche Flüstern aus dem hohen Gras erklang, schnellte sein Kopf so ruckartig herum, dass seine Halswirbelsäule ein Knacken von sich gab.
    »Wenn Sie sich auch nur einen Zentimeter bewegen, töte ich Sie.« Es war eine Frauenstimme gewesen, aber der scharfe Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte.
    Mit pochendem Herzen starrte Bond auf den Schaft eines Stahlpfeils dessen bläulich schimmernde dreieckige Spitze vielleicht fünfundvierzig Zentimeter von seinem Kopf entfernt zwischen den Grashalmen hervorragte.
    Der Bogen wurde seitlich gehalten und lag flach im Gras. Die Knöchel der braunen Finger, die den Bogen unter der Pfeilspitze umklammerten, waren weiß. Dann folgte der lange Schaft aus

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