In Tödlicher Mission
ihre Hände auf ihrem Schoß so, dass die Handflächen nach oben gerichtet waren. In ihren Augen schimmerte nun Trotz. »Das ist alles.«
»Wie sind Sie hierhergekommen?«
»Ich bin nach Bennington geflogen. Dann bin ich gelaufen. Vier Tage lang. Oben durch die Green Mountains. Ich bin anderen Menschen aus dem Weg gegangen. An die Kletterei bin ich gewöhnt. Unser Haus auf Jamaika liegt auch in den Bergen. Sie sind sehr viel schwerer zu erklimmen als diese hier. Und dort treiben sich auch mehr Leute herum, einfache Bauern. Hier scheint nie jemand zu Fuß zu gehen. Sie nehmen lieber den Wagen.«
»Und was wollten Sie dann tun?«
»Ich werde von Hammerstein erschießen und zurück nach Bennington gehen.« Ihre Stimme war beiläufig, als ob sie gesagt hätte, dass sie eine Wildblume pflücken würde.
Von unten aus dem Tal drangen Stimmen zu ihnen herauf. Bond stand auf und warf einen kurzen Blick durch die Äste. Drei Männer und zwei Frauen waren auf die Veranda herausgekommen. Sie sprachen und lachten, während sie die Stühle zurückzogen und sich an den Tisch setzten. Am Kopfende des Tisches war zwischen den beiden Frauen noch ein Platz frei. Bond holte sein Zielfernrohr heraus und schaute hindurch. Die drei Männer waren sehr klein und dunkelhäutig. Derjenige unter ihnen, der die ganze Zeit grinste und dessen Kleidung die sauberste und schickste war, musste Gonzales sein. Die anderen beiden waren einfache Handlanger. Sie saßen zusammen am Fußende des langen Tisches und beteiligten sich nicht an der Unterhaltung. Die Frauen waren dunkelhäutige Brünetten. Sie sahen wie billige kubanische Huren aus. Sie trugen bunte Badeanzüge und eine Menge Goldschmuck und lachten und plapperten wie herausgeputzte Äffchen. Die Stimmen waren fast deutlich genug, um sie zu verstehen, aber sie sprachen Spanisch.
Bond spürte die junge Frau in seiner Nähe. Sie stand einen Meter hinter ihm. Bond reichte ihr das Fernrohr. »Der adrette kleine Mann heißt Major Gonzales«, erklärte er. »Die beiden am Ende des Tischs sind seine Handlanger. Wer die Frauen sind, weiß ich nicht. Von Hammerstein ist noch nicht da.« Sie warf einen schnellen Blick durch das Fernrohr und gab es ihm kommentarlos zurück. Bond fragte sich, ob ihr klar war, dass sie gerade die Mörder ihres Vaters und ihrer Mutter beobachtet hatte.
Die beiden Frauen hatten sich umgedreht und schauten in Richtung der Tür, die ins Haus führte. Eine von ihnen rief etwas, das eine Begrüßung sein mochte. Ein kleiner, gedrungener, fast nackter Mann trat in den Sonnenschein hinaus. Er ging schweigend am Tisch vorbei zum Rand der Terrasse, wo die Pflastersteine auf den Rasen trafen und widmete sich einem fünfminütigen körperlichen Trainingsprogramm.
Bond betrachtete den Mann bis ins kleinste Detail. Er war etwa ein Meter fünfundsechzig groß, hatte die Schultern und Hüften eines Boxers, aber einen zu dicken Bauch. Ein Teppich aus schwarzem Haar bedeckte seine Brust und die Schulterblätter, und auch seine Arme und Beine waren dicht bewachsen. Im Gegensatz dazu befand sich in seinem Gesicht und auf seinem Kopf kein einziges Haar. Sein Schädel schimmerte weißlich gelb, und am Hinterkopf war eine tiefe Delle zu erkennen, die von einer Verletzung oder einer Trepanation stammen mochte. Die Knochenstruktur des Gesichts war die eines typischen preußischen Offiziers – kantig, hart und unnachgiebig –, doch die Augen unter den haarlosen Brauen standen nah zusammen und wirkten schweineartig, und der große Mund wies scheußliche Lippen auf – dick, feucht und blutrot. Er trug lediglich einen Streifen aus schwarzem Stoff, der kaum größer als ein Sportstützgürtel war, um den Bauch sowie eine große goldene Armbanduhr am Handgelenk. Bond reichte Judy erneut das Fernrohr. Er war erleichtert. Von Hammerstein sah genauso unangenehm aus, wie er in Ms Dossier beschrieben wurde.
Bond beobachtete das Gesicht der jungen Frau. Ihr Mund wirkte verbittert, fast grausam, als sie auf den Mann hinunterschaute, den sie töten wollte. Was sollte er mit ihr machen? Ihre Anwesenheit bedeutete für ihn nur jede Menge Ärger. Sie mochte sogar seine eigenen Pläne durchkreuzen, indem sie darauf bestand, selbst mit Pfeil und Bogen ins Geschehen einzugreifen. Bond traf eine Entscheidung. Er konnte es sich einfach nicht leisten, Risiken einzugehen. Ein kurzer Schlag auf den Hinterkopf, und dann würde er sie fesseln und knebeln, bis alles vorüber war. Bond griff vorsichtig nach seiner
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