In Tödlicher Mission
und steckte ihn zu den anderen in den Köcher auf ihrem Rücken. Sie beäugte ihn misstrauisch und fügte hinzu: »Ich vermute, Sie sind ein Wilddieb. Die Rotwildsaison beginnt erst in drei Wochen. Aber hier werden Sie keine Rehe finden. Sie kommen nur nachts so weit herunter. Tagsüber müssen Sie weiter oben nach ihnen Ausschau halten, sehr viel weiter oben. Wenn Sie wollen, verrate ich Ihnen, wo Sie welche finden können. Eine recht große Herde. Es ist schon ein wenig spät, aber Sie könnten sie trotzdem noch erreichen. Sie befinden sich von hier aus gesehen gegen die Windrichtung, und Sie scheinen zu wissen, wie man sich richtig anschleicht. Sie machen nicht viel Lärm.«
»Sind Sie deswegen hier? Sind Sie auf der Jagd? Zeigen Sie mir mal Ihre Erlaubnis.«
Ihr Hemd hatte mit Knöpfen versehene Brusttaschen. Ohne zu protestieren, zog sie aus einer davon ein Stück weißes Papier und reichte es ihm.
Die Jagderlaubnis war in Bennington, Vermont, ausgestellt worden. Auf den Namen Judy Havelock. Darauf befand sich eine Liste der einzelnen Genehmigungen. »Jagderlaubnis einer Person mit Auslandswohnsitz« und »Führen von Pfeil und Bogen einer Person mit Auslandswohnsitz«, waren angekreuzt. Die Kosten dafür betrugen achtzehn Dollar fünfzig, zahlbar an die Fischerei- und Jagdbehörde in Montpelier, Vermont. Judy Havelock hatte als Alter fünfundzwanzig und als Geburtsort Jamaika angegeben.
Großer Gott!, dachte Bond. Er gab ihr das Blatt Papier zurück. Darum ging es hier also! »Sie sind ein beeindruckendes Mädchen, Judy«, bemerkte er voller Mitgefühl und Respekt. »Von Jamaika ist es ein weiter Weg. Und Sie wollten sich Ihrem Feind nur mit Pfeil und Bogen bewaffnet stellen. Wissen Sie, was man in China sagt? ‚Bevor man auf einen Rachefeldzug geht, sollte man zwei Gräber ausheben.’ Haben Sie das getan, oder erwarteten Sie, damit davonzukommen?«
Die junge Frau starrte ihn an. »Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Was wissen Sie über diese Sache?«
Bond überlegte. Es gab nur eine Möglichkeit, aus diesem Schlamassel herauszukommen, und die bestand darin, sich mit dem Mädchen zu verbünden. Was für ein verrückter Auftrag! »Ich habe Ihnen meinen Namen verraten«, erwiderte er resigniert. »Ich wurde aus London hergeschickt, von, äh, Scotland Yard. Ich weiß über Ihre Situation Bescheid und bin hergekommen, um einen Teil der Rechnung zu begleichen und dafür zu sorgen, dass diese Leute Sie nicht belästigen. Meine Vorgesetzten in London glauben, dass der Mann in diesem Haus möglicherweise anfangen wird, wegen Ihres Anwesens auf Jamaika Druck auf Sie auszuüben, und es gibt keine andere Möglichkeit, ihn aufzuhalten.«
»Ich hatte ein Lieblingspony«, erzählte die junge Frau verbittert. »Ein Palomino. Vor drei Wochen haben sie es vergiftet. Dann erschossen sie meinen Schäferhund. Ich hatte ihn, seit er ein Welpe war. Dann kam ein Brief. Darin stand: ‚Der Tod hat viele Hände. Eine dieser Hände schwebt nun über Ihnen.‘ Ich sollte eine Kleinanzeige in die Zeitung setzen, an einem bestimmten Tag. Darin sollte stehen: ‚Ich werde mich fügen. Judy.‘ Ich ging zur Polizei. Sie boten mir lediglich Schutz an. Sie glaubten, dass es sich um Leute aus Kuba handelte. Mehr konnten sie nicht tun. Also reiste ich nach Kuba, stieg im besten Hotel ab und spielte in den Casinos um großes Geld.« Sie lächelte ein wenig. »Ich war dabei nicht so angezogen wie jetzt. Ich trug meine besten Kleider und den Familienschmuck. Und die Männer scharten sich um mich. Ich war nett zu ihnen. Das musste ich sein. Und die ganze Zeit über stellte ich Fragen. Ich tat so, als wäre ich auf Abenteuer aus – als ob ich die Unterwelt und ein paar echte Gangster sehen wollte und so weiter. Und schließlich hörte ich von diesem Mann.« Sie deutete in Richtung des Hauses. »Er hatte Kuba verlassen. Batista war ihm auf die Schliche gekommen oder so etwas. Und er hatte eine Menge Feinde. Man erzählte mir einiges über ihn, und schließlich lernte ich einen Mann kennen, eine Art hochrangigen Polizisten, der mir den Rest erzählte, nachdem ich«, sie zögerte und wich Bonds Blick aus, »nachdem ich ihm ein wenig entgegengekommen war.« Sie hielt einen Moment lang inne und fuhr dann fort. »Ich verließ Kuba und reiste nach Amerika weiter. Irgendwo hatte ich etwas über Pinkerton gelesen, die Privatdetektive. Ich ging zu ihnen und bezahlte sie dafür, dass sie die Adresse dieses Mannes für mich herausfanden.« Sie drehte
Weitere Kostenlose Bücher