In Tödlicher Mission

Automatikpistole.
    Die junge Frau bewegte sich lässig ein paar Schritte nach hinten. Genauso lässig, wie sie sich vorbeugte, das Fernrohr auf den Boden legte und ihren Bogen aufhob. Sie griff hinter sich, um einen Pfeil aus dem Köcher zu nehmen, und legte ihn beiläufig an die Bogensehne. Dann sah sie zu Bond auf und sagte leise: »Kommen Sie ja nicht auf dumme Gedanken. Und halten Sie Abstand. Ich habe ein sogenanntes großes Gesichtsfeld. Ich bin nicht den ganzen Weg bis hierher gekommen, um von einem plattfüßigen Londoner Bullen einen Schlag auf den Kopf zu kassieren. Auf fünfzig Meter kann ich mein Ziel hiermit nicht verfehlen. Und auf hundert Meter habe ich schon Vögel im Flug abgeschossen. Ich will Ihnen keinen Pfeil durchs Bein jagen, aber ich werde es tun, falls Sie mir in die Quere kommen.«
    Bond verfluchte seine anfängliche Unentschlossenheit. »Seien Sie keine dumme Kuh«, sagte er streng. »Legen Sie dieses verdammte Ding weg. Das hier ist Männerarbeit. Wie zum Teufel wollen Sie denn vier Männer mit Pfeil und Bogen erledigen?«
    Die Augen der Frau funkelten trotzig. Sie bewegte ihren rechten Fuß nach hinten, um ihre Schussposition einzunehmen. »Fahren Sie zur Hölle«, presste sie wütend hervor. »Und halten Sie sich da raus. Diese Leute haben
meine
Mutter und
meinen
Vater ermordet. Nicht Ihre Eltern. Ich war bereits einen Tag und eine Nacht lang hier. Ich weiß, was ich tun muss und wie ich von Hammerstein erwischen kann. Die anderen kümmern mich nicht. Ohne ihn sind sie nichts. Also.« Sie spannte die Bogensehne halb. Der Pfeil war auf Bonds Füße gerichtet. »Entweder tun Sie, was ich sage, oder Sie werden es bereuen. Und glauben Sie ja nicht, dass ich es nicht ernst meine. Das hier ist eine persönliche Sache, und ich habe geschworen, das zu tun. Niemand wird mich aufhalten.« Sie warf gebieterisch den Kopf zurück. »Nun?«
    Mürrisch schätzte Bond die Situation ein. Er musterte die geradezu lächerlich schöne wilde junge Frau von oben bis unten. Sie hatte gute alte englische Entschlossenheit, gewürzt mit dem feurigen Temperament einer Kindheit in den Tropen. Eine gefährliche Mischung. Sie hatte sich in einen Zustand der kontrollierten Hysterie hineingesteigert. Er war sich ziemlich sicher, dass es ihr nichts ausmachen würde, ihn auszuschalten. Und er hatte absolut keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Ihre Waffe war lautlos, seine würde die gesamte Umgebung alarmieren. Seine einzige Hoffnung bestand nun darin, mit ihr zusammenzuarbeiten. Er konnte ihr einen Teil der Arbeit überlassen und den Rest selbst übernehmen. »Hören Sie, Judy«, sagte er leise. »Wenn Sie darauf bestehen, diese Sache durchzuziehen, sollten wir das besser zusammen machen. Vielleicht können wir es dann sogar erledigen
und
am Leben bleiben. Das hier gehört zu meinem Beruf. Ich wurde damit beauftragt, es zu tun – und zwar von einem engen Freund Ihrer Familie, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Und ich habe die richtige Waffe dafür. Sie hat mindestens die fünffache Reichweite von Ihrer. Ich könnte versuchen, ihn jetzt sofort von hier aus auf der Veranda zu töten, und hätte wahrscheinlich Erfolg. Aber die Chancen stehen nicht gut genug. Manche von ihnen tragen Badekleidung. Sie werden zum See hinuntergehen. Dann werde ich es tun. Sie können mir Unterstützungsfeuer geben. Das wird mir eine große Hilfe sein«, beendete er seine Ausführungen lahm.
    »Nein.« Sie schüttelte fest entschlossen den Kopf. »Es tut mir leid. Sie können mir Ihr sogenanntes Unterstützungsfeuer geben, wenn Sie wollen. Oder auch nicht, mir ist das egal. Mit dem Schwimmen haben Sie recht. Gestern waren sie gegen elf Uhr alle unten am See. Heute ist es genauso warm, und sie werden wieder dort sein. Ich werde ihn vom Rand der Bäume am See aus erwischen. Gestern Nacht habe ich die perfekte Stelle gefunden. Die Leibwächter haben ihre Waffen dabei – so eine Art Maschinenpistolen. Sie gehen nicht ins Wasser. Sie sitzen nur herum und halten Wache. Ich weiß, in welchem Moment ich von Hammerstein erwischen kann, und ich werde weit genug vom See entfernt sein, bevor sie überhaupt begreifen, was passiert ist. Ich versichere Ihnen, dass ich alles geplant habe. Also dann. Ich kann nicht länger bleiben. Ich sollte schon längst auf meiner Position sein. Tut mir leid, aber sofern Sie nicht sofort Ja sagen, gibt es keine Alternative.« Sie hob den Bogen ein paar Zentimeter.
    Dieses verdammte Mädchen, dachte Bond. »Also