In Tödlicher Mission
Kälte fehlte ihr – sie hatte einen warmen Körper und ein freundliches, vertrauensvolles Gesicht. Sie mochte dreißig Jahre alt sein, auf keinen Fall älter, und ihre Hübschheit – denn mehr war es nicht – wirkte immer noch kindlich. Ihr schönstes Merkmal war das üppige aschblonde Haar, das ihr bis zum Halsansatz reichte, aber angenehmerweise schien sie sich nichts darauf einzubilden. Sie warf es nicht zurück oder spielte damit, und Bond fiel auf, dass sie tatsächlich überhaupt nichts Kokettes an sich hatte. Still und fügsam hatte sie dagestanden, und ihre großen blauen Augen waren fast ausschließlich auf ihren Ehemann gerichtet gewesen. Sie trug weder Lippenstift noch hatte sie ihre Finger- oder Fußnägel lackiert. Ihre Augenbrauen wirkten ebenfalls natürlich. Hatte Mr Krest es vielleicht so angeordnet – dass sie ein germanisches Naturkind sein sollte? Wahrscheinlich. Bond zuckte mit den Schultern. Die beiden waren auf jeden Fall ein seltsames Paar – der alternde Hemingway mit der Bogart-Stimme und das hübsche, einfache Mädchen. Und es lag Spannung in der Luft – die Art, wie sie zusammengezuckt war, als er sie wegen der Drinks auf diese übertrieben machohafte Art und Weise zurechtgestutzt hatte. Bond spielte mit dem Gedanken, dass der Mann impotent war, und dass sein ganzes hartes Getue nicht mehr war als ein übertriebener Versuch, seine Männlichkeit zu beweisen. Auf jeden Fall würde es nicht leicht werden, ihn vier oder fünf Tage lang zu ertragen. Bond sah zu, wie steuerbord die schöne Silhouette der Insel vorbeiglitt, und schwor sich, nicht die Geduld zu verlieren. Wie sagte man noch mal? »Kreide fressen.« Das würde für ihn eine gute geistige Übung werden. Er würde fünf Tage lang Kreide fressen und sich von diesem abscheulichen Kerl nicht den Rest seines Urlaubs verderben lassen.
»Na, Kumpel. Schieben ’ne ruhige Kugel, was?« Mr Krest stand auf dem Bootsdeck und schaute auf das Well herunter. »Was haben Sie mit der Frau angestellt, mit der ich zusammenlebe? Haben sie wohl losgeschickt, um die ganze Arbeit zu machen. Tja, warum auch nicht? Dafür sind sie schließlich da, nicht wahr? Wollen Sie sich das Schiff mal ansehen? Fido ist noch eine Weile am Steuer und ich habe nichts zu tun.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging Mr Krest in die Knie und hüpfte die anderthalb Meter herunter.
»Mrs Krest zieht sich gerade etwas über. Ja, ich würde mir das Schiff gerne einmal ansehen.«
Mr Krest musterte Bond mit seinem harten, verächtlichen Blick. »Okay. Dann mal die harten Fakten zuerst. Es wurde von der Bronson Shipbuilding Corporation gebaut. Mir gehören neunzig Prozent der Aktien, also habe ich genau das bekommen, was ich wollte. Der Entwurf stammt von den Rosenblatts – den besten Bootsarchitekten. Dreißig Meter lang, sechseinhalb Meter breit und knapp zwei Meter Tiefgang. Zwei Superior Dieselmotoren mit jeweils fünfhundert PS. Höchstgeschwindigkeit vierzehn Knoten. Bei acht Knoten liegt die Reichweite bei viertausend Kilometern. Vollständig klimatisiert. Die Carrier Corporation hat dafür zwei spezielle Fünf-Tonnen-Einheiten gebaut. Die Tiefkühlnahrung und der Alkohol reichen für einen Monat. Wir brauchen nicht mehr als frisches Wasser zum Baden und Duschen. Richtig? Dann gehen wir jetzt mal nach vorne, wo ich Ihnen die Mannschaftsquartiere zeige. Danach arbeiten wir uns nach hinten vor. Und eins noch, Jim.« Mr Krest stampfte auf. »Das hier ist der Boden, nicht das Deck. Und es heißt Wand, nicht Schott. Ich halte nichts von diesen dämlichen nautischen Begriffen. Verstanden, Jim?«
Bond nickte freundlich. »Ich habe keine Einwände. Sie ist Ihr Schiff.«
»
Es
ist mein Schiff«, verbesserte ihn Mr Krest. »Das ist noch so ein Blödsinn, aus einem Haufen Stahl und Holz eine Frau zu machen. Wie auch immer, los geht’s. Sie müssen nicht auf Ihren Kopf achten. Die Deckenhöhe beträgt überall zwei Meter.«
Bond folgte Mr Krest den schmalen Gang entlang, der durch die komplette Länge des Schiffes führte, und lobte eine halbe Stunde lang die bestimmt beste und luxuriöseste Jacht, die er jemals gesehen hatte. In jedem Detail lag noch zusätzlicher Komfort. Selbst die Duschbäder der Mannschaft waren schön geräumig, und die Edelstahlkombüse – oder Küche, wie Mr Krest sie nannte – war genauso groß wie die persönliche Kabine der Krests. Mr Krest öffnete ihre Tür, ohne vorher anzuklopfen. Liz Krest stand an ihrem Frisiertisch. »Aber Schatz«,
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