In Tödlicher Mission
herrührten.
Jetzt reichte es aber wirklich. Bond sah auf seine Uhr. Ein Uhr dreißig. Wenn das Schnarchen in zehn Minuten nicht aufhörte, würde Bond in Fidele Barbeys Kabine auf dem Boden schlafen, selbst wenn er dann am nächsten Morgen steif und verfroren aufwachen würde.
Bond beobachtete den leuchtenden Minutenzeiger, der langsam um das Ziffernblatt wanderte. Jetzt! Als er auf die Beine gekommen war und sein Hemd und seine Hose zusammengesucht hatte, hörte er vom Bootsdeck ein lautes Krachen. Diesem folgten krabbelnde Geräusche und ein entsetzliches Würgen und Gurgeln. War Mr Krest aus seiner Hängematte gefallen? Widerwillig ließ Bond seine Sachen auf das Deck fallen und stieg die Leiter hinauf. Als seine Augen auf einer Höhe mit dem Bootsdeck waren, hörte das Würgen auf. Stattdessen ertönte ein anderes, noch viel schrecklicheres Geräusch – das schnelle Trommeln von Füßen. Bond wusste, was das war. Er sprang die letzten Stufen hinauf und rannte zu der Gestalt, die auf dem mondbeschienenen Deck mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Rücken lag. Er blieb stehen und kniete sich fassungslos hin. Der grauenerregende Anblick des erstickten Gesichts war schon schlimm genug, aber es war nicht Mr Krests Zunge, die aus seinem weit aufstehenden Mund ragte. Es war der Schwanz eines Fischs. Die Farben waren Rosa und Schwarz. Es war die Hildebrand-Rarität!
Der Mann war tot – auf entsetzliche Weise gestorben. Als ihm der Fisch in den Mund gerammt worden war, musste er versucht haben, ihn wieder herauszuziehen. Aber die Rücken- und Afterflossen hatten sich in die Wangen gebohrt, und einige der Spitzen ragten nun auch aus der blutigen Haut um den obszön wirkenden Mund. Bond schauderte. Es konnte nicht länger als eine Minute gedauert haben. Aber was für eine Minute!
Langsam richtete sich Bond wieder auf. Er ging zu dem Gestell mit den Glasgefäßen und warf einen Blick unter die Plane. Die Plastikabdeckung des letzten Behälters lag daneben auf dem Deck. Bond wischte sie sorgfältig an der Plane ab und legte sie mit den Spitzen seiner Fingernägel lose auf das Glas zurück.
Er ging wieder zu der Leiche und betrachtete sie. Welcher der beiden hatte es getan? Es lag ein Hauch teuflischer Gehässigkeit darin, die langersehnte Trophäe als Waffe zu benutzen. Dies deutete auf die Frau hin. Sie hätte weiß Gott gute Gründe gehabt. Aber Fidele Barbey mit seinem kreolischen Blut hätte die Grausamkeit und gleichzeitig den makabren Humor für eine solche Tat. »
Je lui ai foutu son sacré poisson dans la gueule
.« Bond konnte ihn die Worte praktisch sagen hören. Wenn Mr Krest den Seycheller noch ein bisschen weiter gereizt hatte, nachdem Bond gegangen war – besonders wegen seiner Familie oder seiner geliebten Inseln –, hätte Fidele Barbey nicht dort auf der Stelle zugeschlagen und auch kein Messer benutzt. Stattdessen hätte er abgewartet und Pläne geschmiedet.
Bond sah sich auf dem Deck um. Das Schnarchen des Mannes könnte für sie beide ein Signal gewesen sein. Auf beiden Seiten gab es Leitern, die zum Kabinendeck darunter führten. Der Mann am Steuer vorne im Ruderhaus hatte wegen der Geräusche aus dem Maschinenraum sicherlich nichts gehört. Den kleinen Fisch aus seinem Formalinbad zu nehmen und ihn in Mr Krests weit offenen Mund zu stecken, konnte nicht mehr als ein paar Sekunden gedauert haben. Bond zuckte mit den Schultern. Wer von beiden auch der Täter gewesen war, er oder sie hatte nicht an die Konsequenzen gedacht – die unausweichliche Untersuchung, möglicherweise eine Verhandlung, in der er, Bond, als zusätzlicher Verdächtiger gelten würde. Wenn ihm nicht irgendetwas einfiel, steckten sie alle in großen Schwierigkeiten.
Bond warf einen Blick über den Rand des Bootsdecks. Darunter lag der etwa einen Meter breite Deckstreifen, der um das ganze Schiff herumführte. Zwischen diesem Deck und dem Meer befand sich eine sechzig Zentimeter hohe Reling. Angenommen, die Hängematte wäre abgerissen und Mr Krest wäre gefallen und unter dem Schnellboot vom Oberdeck gerollt, hätte er dann ins Wasser fallen können? Bei dieser Flaute schwer zu glauben, aber diese Erklärung würde genügen müssen.
Bond machte sich ans Werk. Mit einem Tafelmesser aus dem Aufenthaltsraum ritzte er ein Befestigungsseil der Hängematte vorsichtig an und riss es dann auseinander, damit die Hängematte realistisch aufs Deck hing. Als Nächstes entfernte er mit einem feuchten Tuch alle Blutflecken von den
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